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Größenwahn

Größenwahn

Titel: Größenwahn Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Karl Bleibtreu
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überall als Minister, Admirale und Handelsherrn beherrschten – alles das trat hier in die Erscheinung. Vor allem aber entfaltete sich das politische System dieses Insel-Roms, dessen Staatsgebilde die Kraft des menschlichen Willens im geduldigen Verfolgen eines großen Ziels offenbarte. Der Dichter lehrte durch anschauliche Darlegung, warum Machiavell im »Buch vom Fürsten« die geheime Schreckensherrschaft Venedigs als Muster hinstellte – diesen »Schrecken«, der sich auch später im Wohlfahrtsausschuß des französischen Convents als förderliche Waffe erwies. Man begriff, warum Taine den Bonaparte als einen Enkel der italienischen Condottieri gleichsam atavistisch erklären will, als eine posthume Neubelebung des Renaissance-Systems, wie dieses sich am klarsten in Venedig verkörperte.
    In dem Admiral Moncenigo hatte der Dichter eine Gestalt geschaffen, aus einem Guße und doch von feinster Detaildurchführung.
    Man sah gleichsam die geflügelten Marmorlöwen San Markos ihre Schwingen beutegierig über Land und Meer breiten und ihre Krallen einschlagen. Warum die vier Erzrosse aus Byzanz, welche an der Mittelfront des Doms so ernst herniederstarren auf die tändelnden Tauben der Piazza, an die Sonderstellung Venedigs als halborientalische Weltmacht erinnerten, begriff man an diesem umfassenden Gemälde verschollener Herrlichkeit.
    Selbst der Dom San Marko (an dessen byzantinischem, mit romanischem und Ansätzen des gothischen vermähltem Stil alle Epochen der Venetianischen Größe mitgebaut – von der strengen Würde des Donatello-Stils bis zum üppig blendenden Schwung der Hochrenaissance, welche sogar ein Farbengemengsel von Blau, Braun, Gelb, Weiß und grellbunten Fresken zur Schmückung der äußeren Façade verwendete) redete hier in der Theaterdekoration seine wahre Sprache. Man gewann zwanglos tiefere Beziehung zu all diesen Zeugen der Weltgeschichtsentwickelung. In der spitzschnabeligen schwarzen Gondel – ein Sarg unter steinernen Leichen – glitt man gleichsam mit dem Dichter dahin und verstand die Schatten, die um die Kirchhofstille der Paläste griesgrämig dahinschlichen. Unter der hellerleuchteten Rialtobrücke fort, tauchte man unter in dunkle Kanalgassen und trieb langsam hinaus durch Canale Grande zum blauen Lido, während auf abgelegenen Winkelplätzchen allenthalben Kirchen von überwältigendem Reiz reifer Formschönheit emporsteigen. Man athmete gleichsam den Salzgeruch, der die Mauern umwittert und sie mit einer köstlichen bräunlich-grünen Lasur bekrustet.
    So verwuchs die Handlung des Dramas gleichsam mit den äußeren Ornamenten der Scenerie. Das ganze Patrizierleben dieser Märchenstadt des Herzens schüttete seine Fülle verschwenderisch aus – Marmor, Gold, Brokat und Atlas, Mosaik und sammetweiches Farbenglühen der Gemälde – und wurde zugleich in seinen innersten Saugfäden offenbar. Es war, als ob die Pfähle, auf denen die Inselstadt erbaut, bloßgelegt würden. Aus allen Thaten und Worten dieses Lebensbildes tönte aber die Mahnung des Dichters: So macht man Weltgeschichte ! Das hat den deutschen Tröpfen stets gefehlt. Nur rücksichtslose weltkluge Niedertracht führt zum Ziele. So, durch tausend Verwickelungen unentwegt sein geheimes Ziel vor Augen, pflanzte Venedig auf der Leiche seines vorgeschobenen Schützlings, des Königs von Cypern, sein Banner auf und benutzte die Schönheit der Venetianerin Katharina Kornaro zu einem politischen Schachzug.
    Ein seltsamer Epilog krönte das sonst so schonungslos realistische Stück, ein Epiolog, dessen innere Nothwendigkeit gleichwohl sofort ins Auge sprang. Nachdem nämlich der 5. Akt an der Riva gegenüber der Seufzerbrücke im goldigsten Sonnenglanze farbigen Glückes geendet, zog sich plötzlich ein nebeliger Flor über die Scene. Man hörte eintönige Donner rollen und eintönig den Regen niederplätschern. Die meisterhafte Inscenirung gab genau jene Stimmung einer Regennacht in Venedig wieder, wo man gleichsam in purem Wasser zu schwimmen glaubt, von oben durchweicht und unten auf allen Seiten die grünlichen Lagunen. Da glitt eine schwarze Gondel heran, an deren Stern ein Man in schwarzem Pilgermantel stand, eine Lyra im linken Arme gebettet, während seine Rechte mit mondessilbernem Zauberstab die Wogen zu beschwören schien. Und die Wogen murmelten ein Lied von Ihm, dem Gast des zerfallenen See-Gomorrha, das ihn mit Gift berauschte aus venetianischen Kelchen.
    Wohl ein Gedanke, würdig eines so großen Dichters

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