Größenwahn
lächerliche Anrempelei eines parfümirten jüdischen Apolloschwengels (der eine beiläufige Aeußerung Leonharts über eine, diesem nur per Renommee bekannte, Modelöwin absichtlich mißdeutete, damit er sich als Ritter derselben das Air eines bevorzugten Liebhabers geben könne), hatte der Antisemit Schnapphahnitzkoy dazu benutzt, um Leonhart in eine Duell-Lage zu verstricken. Zwar lag der Thatbestand nicht entfernt so, daß Leonhart den Judenjüngling hätte fordern müssen, umsomehr derselbe nach Duellbegriffen eine unsatisfaktionsfähige Persönlichkeit vorstellte, da er auf öffentliche Ohrfeigung nur durch denunciatorische Ruinirung des Beleidigers geantwortet hatte. Allein, Schnapphahnitzkoy ergriff mit tückischer Freude die schöne Gelegenheit, um zu insinuiren, Leonhart sei beschimpft, falls er nicht Jemanden fordere, und daher wolle er für jenen ihm ganz Fremden eintreten!!! Er konnte dies schon wagen, zumal noch ein andrer sogenannter Freund Leonharts sich würdelos, trotz der überwiegend gegentheiligen Stimmung der Anwesenden, für die sogenannte »Ehre« jener Dame einsetzte, weil derselbe ebenfalls die geheime Gunst derselben zu erringen hoffte. Und Schnapphahnitzkoy spekulirte wieder auf die Gunst dieses Herrn aus Geschäftsgründen. Ergo! Leonhart, immer geneigt von seinen Nebenmenschen besser zu denken, als seine pessimistische Menschen- und Physiognomieenkenntniß ihn sonst lehrte, hielt die Sache jedoch für einen bloßen Spaß und suchte daher den
p.p.
Schnapphahnitzkoy in dessen Redaktion persönlich auf, um diese wesenlose Angelegenheit durch gemüthliche Aussprache aus dem Wege zu räumen. Allein bald mußte er erkennen, daß er einen schweren Fauxpas gemacht. Denn mit kaltblütiger Tücke bestand dieser ritterliche Shylok auf seinen Schein, sein Pfund Fleisch, sein liebes kleines Duell. Er gab zu, daß ihn die Sache nichts angehe, daß sie überhaupt unbedeutend sei, auch daß er selbst noch nie ein Duell gehabt habe. Trotzalledem aber müsse er darauf bestehn, sich mit Leonhart zu schießen, damit sein empfindliches Ex-Lieutnantsgefühl beruhigt werde. Leonhart stellte ihm die volle Unmöglichkeit der Motivirung vor, falls das Duell ernst sein solle – sei es aber als bloße gemeint, so danke er für solche Zeitvergeudung. Das Duell könne seinen guten Sinn haben (Schnapphahnitzkoy verschanzte sich dahinter, daß Leonhart ja das Duell an sich noch nicht verwerfe), falls es sich um ernsthafte Ehrverletzung drehe, aber nur so. Obschon nun Schnapphahnitzkoy recht wohl wußte, daß jedes Ehrengericht ihn als Rowdie-Raufbold verurtheilen und jeder Gerichtshof ihm das höchste Strafmaß des neu verschärften Duellgesetzes aufbrummen würde, – obschon ferner klar auf der Hand lag, daß er als guter Bekannter Leonhart's, wenn in seinem militairischen Ehrbegriff gekränkt, umgekehrt grade für denselben den Anrempler desselben fordern mußte, um seinem Anstandsgefühl genüge zu thun, – so ergötzte es doch das verkrüppelte Seelchen des Kleinen, den beneideten Großen in dieser Mausefalle zappeln zu sehn. Uebrigens fürchtete er auch ein ernstes Duell nicht. Erstens schoß und focht er meisterlich, wußte sich also von vornherein Sieger. Zweitens lag ihm wenig an seiner traurigen Existenz. Denn, eigentlich kerngesund, dichtete er sich ein aristokratisches Asthma an und sicherte sich nur noch kurze Lebensdauer zu. Es harmonirte damit, daß auch jener unglückliche Liebhaber der hinter den Coulissen spielenden Donna, welcher ebenfalls an Leonhart seine Rittersporen wenigstens schimpfend verdienen wollte, eingestandenermaßen an einem gewissen unheilbaren Leiden kränkelte. Daher der Todesmuth dieser Todeskandidaten.
Nun erfuhr zwar Leonhart bald darauf von verschiedenen Seiten überraschende Dinge über seinen edeln Feind, welche er jedoch schweigend
ad acta
legte. Auch das sonstige einstimmige Urtheil über den Trefflichen lautete gleich ungünstig. Nicht mal mit der Duell-Bravour hatte es seine Richtigkeit, da er kurz vorher erbleichend »kniff«, als einige gefährliche Studenten ihn wegen einer cynischen Bemerkung über das gesammte weibliche Geschlecht (daher Chef der »Töchterzeitung«) zur Rechenschaft forderten. Aber der Dichter, dessen Mensuren und Schlachten auf ganz anderem Gebiete lagen als auf dem der pöbelhaften Klopffechterei, schien ihm ein bequem wehrloser Prügeljunge, während er selbst vor seinem Todfeind Schmoller zitterte wie Espenlaub, wenn er diesem zufällig auf dem
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