Größenwahn
Verläumdungen inspirirt sei!
Wegen solcher elenden Skandalaffaire hatte Leonhart schlaflose Nächte gehabt, weil er jeden Zweifel an seiner Loyalität als schweren Schimpf empfand, indeß Schmoller wie ein Wahnsinniger umhertobte und der Adelszwerg sich schadenfroh ins Fäustchen lachte, zwei Riesen hinterrücks in die Ferse gestochen zu haben. Gegen solche Meister des äußeren Scheins nutzt nichts die grobe Keule der sittlichen Entrüstung, sondern nur das Stilet ironischen Hohnes ....
Schnapphahnitzkoy referirte hier für die hochvornehme »Kreuz- und Schwertzeitung« und beschloß ritterlich, wie seine Auftraggeber, das Werk eines gräflichen Standesgenossen bis über den grünen Klee herauszustreichen. Lautet doch der allgemeine gang und gäbe Grundsatz der Berliner Kritik: So'n bischen Französisch und so'n bischen Adlig is doch gar zu schön!
Sein herumschlenkernder Kneifer küßte grade zärtlich den edeln Kneifer, welchen der große Heinrich Edelmann neben ihm schielend unter dem Parketsitz putzte. Haubitz hingegen kneiferte kühn die Logen an und strich sein schwarzes Knebelbärtchen, während er stockschnupfend einige weltbewegende Messiasaxiome umherstotterte. Sie referirten ja ebenfalls für ein christlich-teutonisches Blatt und hatten sich feierlich zugeschworen, ihren gräflichen Freund derartig zu preisen, daß er sich einer Anzapfung mindestens um 200 Mark nicht mehr entwinden könne. Das Loos sollte entscheiden, wer von Beiden diesmal »für einen darbenden Freund« die Kritik-Gebühren eintreiben solle.
Schnapphahnitzkoy gab sich mit so was nicht ab, sein Streben ging vielmehr nach einer guten Parthie, wie es bei diesen schlechten Zeiten nun mal nöthig scheint. Doch würdigte er vollkommen die Haltung der beiden verwandten Seelen, welche er sofort als »vornehme Naturen«, wie die technische Phrase lautet, erkannt hatte. Auch Wurmb schloß sich mehrmals begeistert an, wenn sie alle zusammen beim Schoppen die sittliche Größe des wahren charakterfesten Idealismus betonten, im Gegensatz zu der unwahren Weltschmerzfexerei und proteusartigen Unfestigkeit eines Leonhart, auf dessen kindlichen Größenwahn doch nun mal all ihre litterarischen Biergespräche unfehlbar wie die Nadel zum Magnet hinzielten.
Schnapphahnitzkoy erwähnte mit tadelndem Bedauern, daß man doch einen Kavalier wie Krastinik von seiner schier unbegreiflichen Vorliebe für jenes
bête noire
loseisen müsse. Die Waffenbrüder lächelten verschmitzt. Sie kannten die oft erprobte menschliche Natur. Spielte man nur den Freund gegen den Freund aus, so würde die geschmeichelte Eitelkeit des Einen und die verletzte Eitelkeit des Andern den Bruch schon von selber herbeiführen. Haubitz empfand eine diabolische Wollust des Vorgefühls. Wie wollte er Krastinik anpreisen und ihn den Stümpereien eines Leonhart gegenüberstellen!
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Die Klingel ertönte zum zweiten Mal. Das Bienenkorbgesummne eines Premierenpublikums vor Beginn der Vorstellung verstummte. Die wogenden Linien sanken in sich zusammen. Statt des Rauschens und Knisterns der Damentoiletten hörte man nur noch den üblichen Lärm der sich hebenden oder niederschlagenden Klappstühle, wenn die zu spät Kommenden sich in die Reihen durchdrängen. Der Vorhang ging auf.
Schon nach den ersten Worten verbreitete sich eine angenehme Verwunderung. Das war nicht die geschwollene blühende Jambensprache, an welche man bei historischen Dramen gewöhnt, das war nervige realistische Prosa. Das waren keine theatralischen Pappfiguren, das war wirkliches angeschautes Leben. Der Dichter vermittelte den Geist des alten Venedig so unmittelbar, daß man sich wie zu Hause fühlte. Die Handlung drehte sich um die Vermählung Katharina Kornaro's mit dem Kronprätendenten von Cypern und die Erwerbung dieses Inselreichs durch die meisterliche Diplomatie Venedigs, welche schonungslos jedes Einzelglück ihren Zwecken opferte.
Hier sah man die Emsigkeit, mit welcher sich die Meereskönigin zum Trotz des umbrandenden Meeres auf ihren eingerammten Pfählen lagerte und unablässig mit der andrängenden Fluth um ihr glanzvolles Leben rang, indem sie staunenswürdige Ingenieur-und Baumeisterwerke entgegendämmte. Die unermüdliche Entwickelung der Seekunde, der kühne Erwerbs-und Forschertrieb, der diese Kaufleute in fernste Zonen führte, so daß selbst die verlorenen Söhne Venedigs den Orient
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