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Größenwahn

Größenwahn

Titel: Größenwahn Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Karl Bleibtreu
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diese Posse nicht mal mit ansehn? Seine nervöse Unruhe und Verstimmung verschlimmerte sich nur durch Einsamkeit. Er mußte Gesellschaft suchen, sich zerstreuen. – Nach einigem Zögern sagte er Dondershausen zu, ihn begleiten zu wollen, und beide rollten im Droschken-Tempo die Potsdamerstraße entlang nach der Richtung des Botanischen Gartens.
     

III.
     
    Der Jour Fixe des Commerzienraths Wolffert hatte wie gewöhnlich viele Freunde des Hauses angelockt. Auch Neugier, die junge Frau kennen zu lernen, zog an. Kaum angekommen, verloren sich Dondershausen und Krastinik im Gedränge und es gelang nicht, den Wirth aufzustöbern. Endlich zeigte der Oberst dem Grafen den Sohn des Hauses und Letzteren frappirte sichtlich die blasirte Miene des jungen Ehemanns. –
    Eugen hatte seinen Willen durchgesetzt, einen »elementaren Persönlichkeitsbeweis« abgelegt, wie der philosophische Oberst dies bezeichnete. Aber nun langweilte sich bereits der junge Weltbummler.
    Das eigentliche Fieber der Leidenschaft, das ihm einst die Eingeweihte verzehrt und die Seele verbrannt hatte, verkohlte. Eine gleichgültig gemütliche Zärtlichkeit trat an seine Stelle. Ihn reizte hauptsächlich noch der Gedanke, daß die vielbegehrte Schönheit von ihm schwanger sei. Dies Behagen an ihrer Schwangerschaft hatte etwas schmutzig Egoistisches. Eigentliche Liebe oder Leidenschaft fühlte er keineswegs mehr für das schöne Geschöpf, sondern vielmehr eine eitle Besitzfreude. »Ich habe sie,« das war der Grundgedanke seiner Neigung. Weit mehr, um dies Besitzrecht zu zeigen, als aus Begierde fröhnte er den Freuden der Liebe mit andauernder Regelmäßigkeit. Ganz vereinbar damit war es, daß er innerlich jeden Morgen murrte, weil er leidenschaftlos, einfach aus Gewohnheit und Eitelkeit, seine Säfte verschwendet hatte. So trägt jede erotische Leidenschaft ohne wahre Liebe ihre Geißel in sich selbst. Eine gewisse beiderseitige Kälte sänftigte wohlthuend die Gefühle – ihre Liebesaversion und seine erotischen Flammen. Sein Gehirn fing an, seine Sinnlichkeit zu absorbiren, und eine gewisse Nervenschwäche, die sich latent bemerkbar machte, trat hinzu. Eigentlich fühlte er sich wohl dabei, dem Druck des geschlechtlichen Alleingefühls entronnen zu sein. So löst sich die Empfindung in ewigem Kreislauf ab. Grämliche Verdrießlichkeit folgt meist der sinnlichen Anreizung, beseitigt aber dafür auch das Fieber des Verlangens und kühlt zu gelassener Arbeitsruhe ab. So kann unter Umständen auch das Laster mehr kalte Seelenruhe verleihen als die Tugend, die von Sehnsucht kaum trennbar. Andrerseits erhöht wieder die Keuschheit, sobald sie sich in ritterlicher und hochherziger Leidenschaft für ein bestimmtes Wesen ausdrückt, die Kräfte des Einzelindividuums über sich selbst hinaus. Ein platonisch Liebender, der als Endziel seiner Mühen ein Weib ersehnt, ist von unwiderstehlicher Stärke und wagt den Kampf mit dem Schicksal, indem er die persönliche sinnliche Selbstsucht gleichsam aus verfeinerter Selbstsucht niederzwingt. Hingegen werden Keuschheit und Gesundheit an Leib und Seele um so tiefere Schmerzen bereiten, wenn ihnen die Schwäche und Sinnenknechtschaft der meisten Andern nahegerückt wird.
    Wie kann ein sinnlich Denkender je die volle Pein einer unglücklichen Liebe empfinden!
    Jedenfalls scheint Alles, Glück wie Unglück, Tugend wie Untugend, vollkommen gleichwertig für die Entwickelung des Individuums.
    Schlaffe und müde Genußentfähigung ist ein verdrießlicher Zustand, aber nicht minder die Sehnsucht nach irgend einem Genusse, der leichter oder schwerer errungen werden kann und dessen Erwartung nun die beschauliche Geistesstimmung des Normalzustandes stört.
    ... Krastinik warf einen prüfenden Kennerblick auf die Gesellschaft und bat den liebenswürdigen Ordensjäger, der nach allen Seiten, bücklingte, um aufklärende Bezeichnungen.
    »Wer ist dieser Herr dort, der so krampfhaft gestikulirt?«
    Er wies auf einen Bonvivant mit geröthetem Faungesicht bei stark ergrautem Backenbart, welcher in heulenden Fisteltönen einer ewigen Extase Luft zu machen schien.
    »Wie? Den kennen Sie nicht? Daß ist ja der berühmte Kritiker Ludolf Lutsch.«
    »Ach Herrje! Das jenügt!« schnarrte Krastinik ironisch. »Freut mich den Mann zu sehn, der selig machen und verdammen kann!«
    Natürlich schien die Finanzwelt stark vertreten. Auch jener hervorragende Makler war erschienen, welcher einst Kathi in einem so überschwänglichen Brief die

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