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Größenwahn

Größenwahn

Titel: Größenwahn Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Karl Bleibtreu
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eines
p.p.
von Schnapphahnitzkoy. Dieser Herr, von dessen Existenz ich nur mal von meinem verstorbenen Freunde Leonhart gehört zu haben glaube, ist so freundlich, meine Wenigkeit gegen das ungebührlich herausgepriesene Verdienst meines seligen Freundes auszuspielen und zwar speziell das venetianische Drama ›Die Meeresbraut‹. Ich erkläre nunmehr hiermit laut und feierlich: Dieses Stück, mit Ausnahme einiger scenischer Einfälle, gehört mit Stumpf und Stiel, mit Haut und Haar, in Idee und Ausführung, ausschließlich; meinem todten Freunde Friedrich Leonhart . Sind die Herrn Neider und Nörgeler, diese Schurken, die den großen Dichter in jenen Anfall von Geistesstörung des Verfolgungswahns hineintrieben, – ist die Verschwörung von Schurken und Dummköpfen nun vielleicht endlich zufrieden ?! Ich weiß recht wohl, daß in ihrer Wuth, sich so getäuscht zu sehn, die verbündeten, aber nicht vereidigten Makler nun über mich herfallen werden. Der Verstorbene hatte mein Wort, bis zu einer gewissen Frist den wahren Namen des Dichters zu verschweigen und den unverdienten Ruhm auf meine Achsel zu nehmen. Diese Frist ist jetzt erloschen. Auch hätte ich meines Wortes mich entbunden erachten können, nach jenem traurigen Ereigniß. Ich gestehe daher mit einem demüthigenden Gefühl der Scham, daß ich vor diesem notwendigen Schritt mich ängstete. So sehr hat auch das Beisammenleben mit den größenwahnsinnigen Erfolgjägern Berlins mein Gefühl für Pflicht und Ehre abgestumpft, daß es mir schwer ankam, auf solche unsauber erworbene Eitelkeitsmedaille zu verzichten.
    Warum überhaupt diese Täuschung der Welt von mir und dem Verstorbenen versucht wurde, fragt wohl nur ein ganz naiver Bruchtheil des Publikums. Damit man es aber einmal Schwarz auf Weiß lese, so will ich es mit dürren Worten aussprechen. Nie wäre ein Drama meines verstorbenen Freundes, und wäre es noch zehnmal besser, je auf einer deutschen Streberbühne zur Aufführung gelangt, nie ! Er konnte nicht dem Direktor ein Ordensbändchen verschaffen, der Frau des Regisseurs die Cour schneiden, mit dem Schauspielerpack Brüderschaft trinken. Ich aber, löbliche Redaction, heiße Graf Xaver Krastinik und bin daher befugt, selbst meinen greulichsten Schund an sämmtlichen Hofbühnen anzubringen. Da Leonhart tausend Feinde und keinen einflußreichen Freund (nicht mal dem Theater-Portier konnte er ein erhebliches Trinkgeld zu Füßen legen) besaß, so war ich also der unmaßgeblichen Meinung, daß er nur durch diese geschickte Vermummung zum Ziel gelangen könne. Im Einverständniß mit dem großen Dichter führte ich die Sache denn durch und der Erfolg bestätigte, wie gründlich wir Beide die Verlegenheit der Welt durchschaut hatten.
    Ein Herr Nordau hat gegen ›Conventionelle Lügen der Culturmenschheit‹ gedonnert. Auch das ist aber nur eine Lüge. ›Culturmenschheit‹, eine Humbugphrase wie so viele. Die ganze Welt ist nur eine einzige Lüge und bei dem Worte ›Idealismus‹ lachen die Auguren. Ein schöner Kellner hat mehr Aussicht auf Erfolg in der Welt als ein linkisches Genie, und nicht wer am besten dichtet, sondern wer am besten strebert oder dem Tagesbedürfniß schmeichelt, gilt heut als graußer Mann. Ein solcher Gewaltiger vor dem Herrn konnte Leonhart nimmer werden und so hatte er denn Recht, eine Welt zu verlassen, für die er allen Ernstes zu gut war.
    Ich für mein Theil, nachdem ich diese letzte Pflicht erfüllt, nehme mit wehmüthigem Lächeln Abschied von der Poesie. Ich entsage für alle Zeiten der dichterischen Produktion. Meine litterarische Carrière war kurz genug, aber genügte mir, einen unauslöschlichen Ekel gegen dies Geschmeiß elender Federfuchser einzuflößen, das über seine verhungernden Kinder oder seine unbefriedigte Eitelkeit jammert, statt anständig zu Pflug und Spaten zu greifen, – das als litterarische Pennbrüder den Parnaß bebummelt, aber wie ein nichtsnutziges Knieholzgestrüpp dem aufwärtsschreitenden Bergsteiger die Füße umwickelt, so daß er strauchelnd zu Boden stürzt. Von ihren idealen Zwecken machen sie ein ebenso großes Geschrei wie von ihren materiellen Rechten. Wozu dient diese Kanaille, als den gesunden Sinn der Unbefangenen zu verwiren? Ihre ganze Existenzberechtigung ist ihre Eitelkeit , mit ihren idealen Zwecken finden ihr schönstes Recht in Niederduckung Sie des wahrhaft Großen. Und ihre materiellen Förderungen der Standesinteressen bestehen höchstens darin, daß sie dem

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