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Größenwahn

Größenwahn

Titel: Größenwahn Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Karl Bleibtreu
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Lebenswerthen möglichst den Weg zum allgemeinen Futtertrog versperren, um ihren werthlosen Windbauch vollzustopfen. – Kurz, wo immer eine geniale Natur sich erhebt, da folgt ihr instinktiv der Haß aller Feigen und Schlechten. Das ist der Schatten, den das Genie wirft, und gleichsam seine natürliche Beglaubigung.
    Nach Erledigung dieser Erklärung, empfehle ich mich hiermit statt jeder besonderen Meldung meinen Berliner Freunden ›vom Geschäft‹, besonders den liebenswürdigen Schauspielern, die dem Drama Leonharts – pardon, Graf Krastiniks – eine so begeisterte Theilnahme entgegenbrachten, vor allem Herrn Direktor L'Arronge. Die Tantièmen der ›Meeresbraut‹, welche in Berlin nach Verabredung deponirt wurden, bestimme ich hiermit zu einem Grabdenkmal für meinen großen unglücklichen Freund. Einer löbl. Redaction ergebener
    Graf Xaver Krastinik .«
     
    Schon am andern Tage fielen die Berliner Zeitungen über ihn her. Krastinik las sie ruhig durch und trank als Magenstärkung einen Oranje-Bitter.
    Den Menschen kann man nicht die Mäuler verbieten. So tadele denn Jeder nur getrost am Anderen, was er im eignen Busen wiederfindet! Die Frechheit, womit dies Volk über Ungewöhnliches urtheilt, entspricht nur der allgemeinen Ichsucht, deren krankhafte Kleinlichkeit sich berechtigt glaubt, alles zu kennen und zu beurtheilen, was grade in dem Bannkreis ihres eigenen winzigen Lebenskreises durch flüchtigen Zufall an ihnen vorüberhuschte. Und wäre es das Größte, sie ziehen es zu dem alltäglichen Nichts ihrer gleichgültigen Existenzen herab und beschimpfen keck, was zu hoch über ihnen steht, um sich vertheidigen zu dürfen. Souveraine duelliren sich nicht. Eins aber schien jetzt unbedingt nöthig: Daß er Ernst machte mit seiner Absage an das litterarische Geschwätz. Ja, gewiß war er ein echter Dichter, aber er mußte sich tödten, wie der Manne auf des Germanenherzogs Grab, auf der Leiche eines so unendlich größeren Dichters, von dessen Ruhm er unfreiwillig gezehrt.
    Wie sonnenhell lag im Anfang seine neue Laufbahn vor ihm da!
    Welch glückliche Zeit, wo er keine andere nagende Furcht kannte, als die, nicht früh und voll genug fertig zu werden , wo vor seinem Geiste endlose Bilder sich drängten, die er vergeblich alle zugleich zu beschwören hoffte und die sich in seinem schaffenden Gehirne stießen! Aber ach, die ganze Poesie, welche vor seinen trunkenen Blicken schwankte, löste sich auf und zersplitterte sich in endlose Fragmente, von denen Keines vollendet ward. Durfte er glauben, daß in jenen Kindheitstagen seiner litterarischen Anfängerschaft die echte Poesie, der echte Schöpferdrang in ihm thätig gewesen? Nein. Seine Jambentragödien waren historische Schulübungen, deren letzten Refrain doch immer das gegenseitige Schwertergeklirr abgab.
    Und so ging er denn aus Heldenstück der Selbstüberwindung. Bei der Abreise von Berlin hatte er natürlich sein Theuerstes, seine Manuscripte, mit sich geführt. Nun öffnete er das bisher unberührte Fach seines Koffers und häufte seine Schätze vor sich auf.
    Lange durchwühlte er diese Fragmente historischer Dramen, die er mit Leonhart einst durchgesprochen. Er wischte mit dem Finger über die Wimper, als müsse er dort eine Thräne zerdrücken. Doch sein Auge blickte kalt und starr.
    Mit einem kräftigen Ruck raffte, er sich zusammen und packte die Manuscripte und warf sie in die helllodernden Flammen des Kamins. Rasch wandte er sich dann ab, wie um das Unheil nicht zu sehen. Erst als die Papiere schon halb verkohlt und zu Asche verbrannt, richtete er seinen Blick darauf. Und mit bebendem Herzen zwang sich ihm auf die Lippen das Lied:
     
    Lebt wohl ihr Alle, die einst gelebt
    In meiner Seele, die euch belauscht!
    Ihr Heldenschmerzen, die mich durchbebt,
    Ihr Völkerkunden, die mich berauscht!
     
    Hinab hinab, versunkener Hort!
    Die Welt soll nimmer Dich wiedersehn.
    So mag das ewige Dichterwort
    Mit all der anderen Spreu verwehn!
     
    Aber kaum hatte er so in Erhabenheit geschwelgt, als eine innere Stimme ihm mahnend ans Ohr schlug: Hüte Dich, hüte Dich vor neuem Rückfall in das Laster der Andern, vor kindisch selbsttäuschendem Größenwahn! Das ewige Dichterwort? Meinst Du wirklich Dich selber? Wer gab Dir das Recht dazu, Deine hübschen Theatralika
à la
Heinrich v. Kleist gleich für etwas Besonderes zu halten, in einer Zeit, wo ein großer Dichter an Deiner Seite schritt?
    Krastinik versank in tiefes Nachdenken über sich selbst und

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