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Größenwahn

Größenwahn

Titel: Größenwahn Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Karl Bleibtreu
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Giftkröte, die den Karfunkel der Wahrheit im Haupte trägt – Einsamkeit! In deinen Schoß bettet sich müde, wer sich willenlos fortgerissen fühlt von den immer reißenderen Stromschnellen, die dem Niagara entgegenstürmen.
     

III.
     
    Die Geschichte Europas verräth einen innerlich bedingten Zug der Entwicklung von Süden nach Norden, von Westen nach Osten. So hatte denn kaum das kleine Küstenreich Portugal in Ostindien unter Almeida und Albuquerque ein gewaltiges Colonialreich gegründet, als auch schon das nordische Küstenland Holland im Kampfe gegen die spanische Weltmacht deren coloniale Eroberungen an sich riß und unter den Oraniern, Wilhelm dem Staatsmanne und Moritz dem Feldherrn, sowie später unter den großen Admiralen Tromp und Ruyter sich zur ersten See- und Handelsmacht erhob. Und wie Portugal seinen einzigen Dichter jener kurzen Glanzperiode verdankt, so erstand in Holland ja auch der bedeutendste Sänger batavischer Mundart, Vondel, während der siegreichen Befreiung der Niederlande von fremdländischem Joch.
    Die feuchte neblige Frische, das gleichsam wasserdurchquollene tiefsatte Grün einer Ruysdael'schen Landschaft wirkte beruhigend auf Krastiniks Nerven. In den Cafés bewunderte er die eigenartige Vornehmheit malerischer Ausstattung, die Bambusstühle und kostbaren Porzelan-Gemälde, die ins Wandgetäfel eingefügt. Und die Austern Van Laar's labten ihn wie culinarische Zeugen dieser allgemeinen reinlichen Meeresfrische.
    Amsterdam erklärt alle Stimmungseffekte Rembrandts durch seine üppige Fülle coloristischer Motive. Die schmalen Häuschen mit den seltsam gezackten Schornsteinen tragen eine kaffeebraune Farben-Lasur, deren feiner Reiz durch zahlreiche Architekturen aus rothem Ziegelstein von barock verschnörkeltem Style noch mehr hervorgehoben wird. Die Docks, die Canalbecken, über welche sich bogige Brücken spannen, das Netzgewirr der kleinen Gassen, an Venedig erinnernd – alles das wird von einem nebligen Halblichte abgetönt. Unter ihm setzt das natürliche Grün der Baum-Alleen zu beiden Seiten der Canäle einen Flimmer an wie von rostigem Metall.
    Doch der pöbelhafte Lärm roher Unsittlichkeit, welcher die Nachtruhe selbst im vornehmsten Stadttheil dieser Hafenstadt stört, trieben ihn schon am nächsten Tage seinem neuen Ziel entgegen. Thalatta, Thalatta!
     
    Kaum in Scheveningen angelangt, warf sich Graf Krastinik auf die deutschen Zeitungen, die er hier zufällig in ausreichender Fülle vorfand. Da fesselte ihn sofort wieder der Name Leonhart. Was war dies schon wieder? Der Verleger desselben hatte unter den hinterlassenen Papieren ein, förmliches Tagebuch vorgefunden und kündigte die unverzügliche Publizirung dieses »großartigen Erzeugnisses« an. Natürlich bestellte der Erstaunte das Buch sofort telegraphisch »zu umgehender Sendung mit Nachnahme«.
    Am andern Morgen aber fand er richtig in der »Berliner Tagesstimme« seinen offenen Brief abgedruckt. Wie folgt.
     
    »Eine höchst befremdliche Nachricht dringt zu uns, welche wir nur unter Reserve wiedergeben würden, falls nicht der Name des Betreffenden selbst dafür bürgte, daß hier keinerlei Mystifikation vorliegt. Die Leonhart-Affaire, welche jetzt schon wochenlang die Gemüther der näherstehenden Kreise aufregt, wobei durch Veröffentlichung des angekündigten Tagebuchs wohl kaum eine Sänftigung erhofft werden darf, findet hiermit eine ganz neue höchst überraschende Ergänzung.
    In einem höflichen Geleitschreiben hat der vornehme Verfasser des nachfolgend abgedruckten Briefes ausdrücklich ersucht, denselben ohne jede Milderung und Streichung zu publiziren. Er bestehe darauf, widrigenfalls er den Brief einem andern Blatte überreichen werde.«
     
    Krastinik lächelte flüchtig über diesen schlauen Coup. Er kannte seine Pappenheimer: Ehe die »Tagesstimme« einem andern Blatte eine sensationelle Notiz überließ, sei es auch nur eine Brillant-Ente, eher würde sie wahrhaftig den Inseratentheil des »Botschafter« pachten!
     
    »Graf Xaver Krastinik hat sich bemüßigt gefunden, erst jetzt mit einer Erklärung hervorzutreten, welche das größte Aufsehen erregen wird. Wir bringen sie unverkürzt, seinem Wunsche gemäß.
    Löbliche Redaction! Nach § 11 des Preßgesetzes steht mir eine thatsächliche Berichtigung frei, welche ich hiermit erlasse. In der ›Kreuz- und- Schwertzeitung‹ fand ich kürzlich einen Artikel, dieses christlichhumanen Blattes vollkommen würdig, aus der Feder

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