Bücher online kostenlos Kostenlos Online Lesen
Größenwahn

Größenwahn

Titel: Größenwahn Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Karl Bleibtreu
Vom Netzwerk:
dem Boden verwachsen . Selbst Lord Byron, der kosmopolitischste der britischen Poeten, bleibt hiervon nicht ausgeschlossen. Die Berge und die Seeen von Aberdeenshire und das Schloß seiner Väter Newstead schweben ihm doch vertrauter vor, als die Inseln seiner Corsaren. Unter den Engländern scheinen die Werke von Dikens ein förmliches Guide-Boot seiner nur etwas zu groß gerathenen Heimathstadt. Aber wer erreicht gar die beiden Dichterheroen Caledoniens in Besingung des Vaterlandes? Kleine Länder haben eben den Vorzug, die Heimathsliebe ungewöhnlich zu erhöhen. Da ist wirklich kein Fluß und Berg in Schottland, der nicht durch das Wort eines Dichters dem ganzen Volke intim nahegerückt wäre.
    Der Tilt verdient einen Besinger. Denn einen rebellerischeren kleineren Fluß kann man sich gar nicht denken. Mit lautem Hurrah kollert er die Waldhöhe herunter, schießt, als wenn's ihm Spaß machte, über alle möglichen Felsen Purzelbäume und läuft statt wie ein ehrbarer gediegener Fluß gradaus zu marschiren mit provozirender Geläufigkeit schief und krumm, bald rechts bald links, bald Ost bald West. Uebrigens scheint das Purzelbaumschießen ein Erbfehler dieser ganzen Stromfamilie. Etliche dreißig Bäche und Bächelchen rennen, sich überstürzend, als wäre ein allgemeiner »Gathering« ausgerufen, oder rutschen von einer senkrechten Klippe mit Donnergepolter herab, sich unten sammelnd um ihren Clanhäuptling Tilt. Doch »
no more nonsense!
« Ernst, düster ernst wollen wir sein, denn eine Reitpartie durch den Glen Tilt hat wenig Scherzhaftes. Vor Allem die Führer scheinen davon überzeugt. Nur wenn das Pony unsers Begleiters die wundersame Neigung entwickelt, nach rechts, wenn er links, nach rückwärts, wenn er vorwärts will, zu lenken, nebst andern unedlen Späßen einer edlen Pferdenatur – nur dann zuckt ein zufriedenes Grinsen durch ihre raubgierigen Geiervisagen – Holla! Da strauchelt mein Pony! Das kommt davon, wenn Einem verleumderische Gesinnungen gegen die edlen Räuber des Gebirges auf der Stirn geschrieben stehn. Ich habe wenigstens meinen Führer in Verdacht, diesen Gertenhieb grade für die Stelle, wo der große Stein liegt, berechnet zu haben. Aber auch diesem Pony ist nichts Gutes zuzutrauen. Das ist der wahre Repräsentant des Hochlands. Halsstarrig, eigensinnig, faul und voll humoristischer Tücke. Ein Jammer, daß ihm kein »Mac« über seinem krausen schwarzen Stirnhaar geschrieben steht, damit man doch gleich weiß, weß Geistes er sei! O dieser Gebirgssohn! Innerhalb fünf Minuten macht er fünf falsche Tritte, die, wie er weiß, ihm nichts schaden, aber seinen Reiter bis ins Innerste erschüttern. O Pony, Humor ist eine schöne Gabe, aber deine nun endlich abgestandenen (oder besser: abgerittenen) Späße von Hintenausschlagen, Wiehern, Stillstehn, vor jeder Felsnase Schenen, jede Ginsterblume als gute Beute ansehn – solche Scherze sind mir entschieden zuwider. Und noch dazu, wenn man an einem schiefen Felsgrat, an dem die Natur leider das Geländer vergessen hat, hintrabt und der Strudel dreißig Fuß unten brodelt. »Das sind mir Humore!« – Unser Begleiter hat sich schon lang in sein Schicksal gefunden und bewundert die Schönheiten der Natur eine halbe Meile hinter uns. Sein edles Roß leistet eine Viertelmeile preußisch in der Stunde, immer noch alles Mögliche, wenn man bedenkt, daß es sein Frühstück, zweites Frühstück, Lunch und noch mal Lunch während des Einherschleuderns am Wege findet. Glückliches Wesen! Wann wird uns ein Lunch erblühen? Jeder Grashalm, den es kaltblütig pflückt, vermehrt die Leere unsrer Mägen.
     
    Hochlandpony, Hochlandführer,
    Tückisch halsstarrige Viecher!
    Proviant- und Börsenspürer,
    Schnüffelnde Gepäckberiecher!
     
    Heimlich habt ihr aufgefressen
    Aus der Tasche mir die Stullen.
    Und das Sheltie unterdessen
    Thut, als säh es einen Bullen.
     
    Jeden Augenblick ausscharrt es
    Und die schwarze Mähne schüttelt
    Ins Gesicht mir – o wie hart es
    Mich am Abgrund weiterrüttelt!
     
    Warum stampfst du mit den Hufen?
    Schont beginnt es rings zu dämmern.
    Ach, den Spitz des Schäfers rufen
    Hört man dort nach seinen Lämmern.
     
    »König ist der Hirtenknabe.«
    Ja, der sitzt recht in der Wolle.
    Von des Porridge Abendgabe
    Träumt der ernst Gedankenvolle.
     
    Da steht er groß und breit, in seinen dicken Wollenmantel und das Bewußtsein seiner Würde gewickelt, der braunstirnige Hochlandschäfer. Die zwei klugen Hunde liegen

Weitere Kostenlose Bücher