Größenwahn
gegen seinen früheren herablassenden Gönner Graf Bärme. Er warf nämlich durch einen Staatsstreich diesen alten Herrn spornstreichs aus dem Vorstand der »Teutonischen Monopol-Colonial-Actiengesellschaft« hinaus, in den sich Bärme wie gewöhnlich hineingeschmuggelt hatte: Das kindliche Vergnügen, seinen Namen als Comité bei allen unpassenden Gelegenheiten gedruckt zu lesen, schien ihm gar zu süß! Sobald nun Paulus seiner kleinlichen Nachsucht Genüge gethan, hob er den Zerknirschten sammt seiner schwarzen Ledermappe huldvoll wieder auf und bugsirte ihn aufs neue an hervorragender Stelle in den Vorstand. Der gräfliche Mephisto fühlte sich überwunden. Feig und demüthig dem Stärkeren gegenüber, wie alle brutalen Naturen, kroch er jetzt den großen Mann bereitwillig an und wurde sein ergebenster Sclave. Paulus brauchte einen gräflichen Namen bei seiner Actien-Unternehmung und Bärme, den er aus diesem Grunde auf allen Geschäftsreisen als Adjutanten mit sich als Bärenführer herumschleppte, sonnte sich gern in der Ruhmessonne, die den schneidigen Colonial-Pfadfinder umstrahlte. Dieser erlaubte ihm sogar, einzelne Catilinarier auf Gesellschafts-Unkosten in weißen Stoffen, als Colonialreisende auszurüsten, damit Bärme in allen Straßen das Naturwunder ausschreien konnte (auch Leonhart genoß von ihm diese werthvolle Mittheilung): Er, Bärme, rüste auf seine Kosten Reisende aus. – –
»Ich erlaube mir ...« hob der Gewaltige an, indem er sein Cognac-Gläschen grüßend gegen Leonhart schwenkte, sobald sie sich auf einem Sammetsopha des Café Boulevard niedergelassen. »Haben uns ja so lange nicht gesehn.«
»Sie sind mittlerweile ein großer Mann geworden. Dachte mir's immer. Aber eine so glänzende Carriere wie Ihre ist mir doch wirklich in meiner Praxis noch nicht vorgekommen.«
Paulus lachte kurz auf, als ob er das Gesagte für überflüssig halte. Schien ihm seine Carri
è
re jetzt doch ganz selbstverständlich. »Und Sie, lieber Herr Leonhart? Haben indeß viel publizirt, nicht? Ach, wer kommt heut zum Lesen!«
»Das hat man schon zu Adams Zeiten gesagt, um sich zu entschuldigen!« warf jener bitter ein.
»Ja, mag sein. Doch wirklich, das ist heut ein trauriger Beruf. Ich bitt' Sie, kann man denn davon leben
like a gentleman?
– Wissen Sie was, Sie sollten doch mal Ihre schneidige Stahlfeder in den Dienst unsrer patriotischen Sache stellen. Wollen Sie? Ich lade Sie hiermit feierlich ein, als Gast der ›Teutonischen Monopol-Kolonial-Actiengesellschaft‹«, er sättigte sich mit Behagen an dem volltönenden Titel, »bei uns in Afrika zu verweilen. Wir stellen Ihnen große Blätter zur Verfügung für Berichte. Allerdings, haha,« er zwinkerte verständnißvoll mit den Augen, »würde man von Ihrer wohlbekannten Unpartheilichkeit erwarten, daß Sie gerecht, aber wohlwollend über unsere Verhältnisse urtheilen. Natürlich unpartheilich, unpartheilich! Nun, was sagen Sie dazu?«
»Das ließe sich hören,« meinte Leonhart sinnend. Er hätte gern einmal dem ganzen Europa-Krempel Valet gesagt.
»Gut. Basta. Herr Beuthin!« Der hochgewachsene Generalsekretär der »Teutonischen Monopol-Colonial-Aktiengesellschaft« fuhr auf den herrischen Wink des kleinen Mannes zusammen, murmelte wie unbewußt »Zu Befehl« und riß eine gelbe Brieftasche heraus. »Notiren Sie! Herr Doctor Leonhart wird für uns wirken. – Ach und wie hochpoetisch!« fuhr er fort. »Diese Gebirgsscenerieen, diese Meeresufer! Sie werden dort Stoff in Fülle finden. Schreiben Sie uns ein Colonial-Epos!«
»Nicht übel!« lachte der Dichter. »›Die neuen Conquistadoren,‹ eine Heldenmär in zwölf Gesängen. Da soll ich wohl mit Ihrer Expedition ins Innere beginnen, wie?« Der boshafte Klang dieser Frage entging dem Gewaltigen. Leonhart wußte nämlich, daß er gar nicht an Land gekommen und fieberkrank an Bord geblieben war, als man an der Küste in seinem Namen drauflosannektirte und »entdeckte«. Später aber, als er sich wirklich einer Expedition angeschlossen und angeblich Verträge mit Sultanen beschworen hatte, war er frühzeitig umgekehrt, weil den Strapazen nicht gewachsen. Seine Gefährten wollten sogar einen Mangel an persönlichem Muthe bei ihm bedauert haben.
Arglos schwadronirte Paulus jedoch drauf los und schloß sein Jagdlatein nochmals mit der großartigen Aufforderung: »Ein für allemal, sind Sie hiermit eingeladen. Beuthin!« Der maschinenhafte Berthier notirte gehorsam. »Tragen Sie in Ihr
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