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Größenwahn

Größenwahn

Titel: Größenwahn Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Karl Bleibtreu
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Boulevard. Kommen Sie mit? – Erlauben Sie, daß ich die Herrn bekannt mache – doch Sie kennen ja wohl Herrn –«
    » Berthier ? Gewiß.« Der Große verneigte sich, zustimmend, daß man sich kenne.
    »Berthier?! Hahaha!« lachte Doctor Paulus auf. »Nein, Beuthin. Mein ehrlicher Beuthin als Generalstabschef – nicht übel.«
    »Verzeihen Sie, Herr Beuthin, ich versprach mich Ideen-Assoziation! Weil Sie so 'was Napoleonisches haben, lieber Doctor.«
    Doctor Paulus lachte kurz auf und schritt mit einem leichten imperatorischen »Kommen Sie!« den beiden Anderen voran. Leonhart, der sich anschloß, »um einen Schlummerpunsch zu genießen,« beobachtete ihn heimlich. Paulus war sehr elegant gekleidet, nach englischer Mode, einen breitkrämpigen Cylinder neuesten Londoner Stils auf dem interessanten Haupt. Obschon weit unter Mittelgröße von Statur, schien er nervig und muskulös. In seinen klar und scharf geformten Zügen lag etwas unverkennbar Füchsisches. Doch erinnerte er noch mehr an einen scharfspürenden behenden Jagdhund. In seinem Wesen trat eine hastige nervöse Unruhe hervor, als ob er stetig auf einen Fang laure. Seine breite, aber glatte niedrige Stirn, sein stechendes Auge, seine scharfe schnarrende Stimme konnten für den geübten Physigonomiker wenig Vertrauen erwecken. Ein Solcher hätte auf den ersten Blick in diesem »verdammt schneidigen Kerl« einen ausgezeichnet praktischen Kopf, jedoch ohne höhere geistige Veranlagung, erkannt. In seinen kräftig brutalen Kinnladen, seinem massiven Kinn verrieth sich eine eiserne Energie.
    Als Leonhart die Bekanntschaft des Doctor Paulus machte, führte dieser eine ziemlich dunkle Existenz als eine höhere Art von Abenteurer. Er hatte als Doktor promovirt mit einer Disputation über die Schelling'sche Philosophie, die zwar nichts Positives beibrachte, sich aber durch ätzende Kritik und schneidende Logik hervorthat. Seither trieb er sich in Berlin umher, ohne daß Jemand wußte, wovon er lebe. Er erzählte stets merkwürdige Geschichten aus seiner Londoner Vergangenheit, wie er als
man of fashion
drei Jahre lang sein ererbtes Vermögen aufgezehrt habe. Englisches Halbblut mütterlicherseits, behauptete er sogar eine hypothetische Verwandtschaft mit einem bekannten britischen Staatsmann. Von seiner Londoner Aera wollte er auch die Vorliebe für Brandy mitgebracht haben. »
Let's have a drink!
« bedeutete bei ihm, wie sich Leonhart erinnerte, das Hinunterstürzen etlicher Gläser Cognac. Auch im Biere leistete er Großes. Leonhart lernte ihn zuerst kennen, als der rührige Streber eine Zeitung gründen wollte. Diese Idee schien jedoch mehr als Lockvögelei berechnet und zerann spurlos im Sande. Im »Feudalen Klub« trat er als ständiger Gast mit stolzer Sicherheit auf. Einmal klagte er Leonhart gegenüber voll Entrüstung, daß der Klub-Vorsitzende Graf Bärme, der sogenannte Mephisto mit der schwarzen Ledermappe (in welcher alle Collekten-Geheimnisse der Konservativen Partei schlummerten), ihn erst später, nachdem er mit einem fremden Herrn eine Viertelstunde am Tisch gesessen, näselnd vorgestellt: »Da es nun ja doch nicht mehr zu umgehen ist: – Sr. Excellenz Minister von X. – Doctor Paulus.« Noch mancher andren Ueberhebung hatte Graf Bärme (der hochwohllöbliche Ordensjäger und Kammerherr, der sich vom einfachen »von« zum »Baron« und nachher zum »Grafen« emporschwang und die unerwartete Millionen-Erbschaft eines Onkels durch tausenderlei Geldgeschäfte und schmutzigen Geiz noch vermehrte) sich gegen den kleinen Paulus schuldig gemacht. Das kerbte dieser ihm gründlich an, und sobald er ein großer Mann geworden, mußte Bärme dafür büßen.
    Ein großer Mann – ja, das wurde er bald genug.
    Leonhart gehörte zu den Wenigen, die es voraussahen. Sein tiefer psychologischer Scharfblick sagte ihm, daß aus dieser kleinen Schlange sich ein geflügelter Drache entpuppen werde. Er erkannte eine moderne Conquistadoren-Natur und sprach es Anderen gegenüber aus, die ihn darob belächelten. Doch die Ereignisse sollten ihm überraschend Recht geben. Paulus warf sich in die Colonialbewegung und klomm hier binnen kürzester Frist zu den höchsten Höhen des Erfolges empor. Meisterhaft verstand er es, seine Freunde auszunützen und ihnen dann einen Tritt zu versetzen. Intrigant vom Scheitel bis zur Sohle, liebte er die Taktik, alle Leute gegen einander zu hetzen und als beliebige Werthe auszuspielen. Vortrefflich berechnet wirkte auch sein Verhalten

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