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Größenwahn

Größenwahn

Titel: Größenwahn Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Karl Bleibtreu
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Sonnenfluge Alexanders. Die Brücke Lodi's und die Brücke von Arkole zimmert er zusammen zu einer riesigen Xerxesbrücke auf der er weiter nun und weiter stürmt zum Orient-Ufer Alexandrias, wo sich sein Ahn, der Welteroberer, ihm ähnlich an Jugend und Gestalt, ein ewiges Mal gesetzt.
    Marengo! jauchzt die Erde siegestoll, und dann ununterbrochen, allbetäubend, gellt der Legionen Tuba: Heil dem Cäsar! Austerlitz, Jena, Wagram, Borodino!
    Ja, das ist Größe – ist dies das Glück?
    Horch, welch neuer grauenvoller Ton! Ein Trauermarsch von Millionen Trommeln, gerührt von florumwundenen Schlägeln auf eisumstarrter Steppe, geleitet nun zu Grab den Kaiseraar, den mit zerfetzter Trikolorenschwinge von seiner Sonnenhöhe dasselbe Schicksal bleiern niederwuchtet, das ihm zum Flug die Schwingen straffte. Das ist der Trauermarsch, der einst Beethovens Sehergeist entquoll, als ihm der allbewältigende Anblick des neugebornen corsischen Messias die »Symphonie Heroika« entpreßte. Doch da sich Jener als Judas am Ideale freier Menschlichkeit entschleierte, auf dem allein die wahre Größe wurzelt, verbannte er den Namen Bonaparte aus seiner Götter Tempel. Ob auch die Welt, die schnöd erbärmliche, die Sclavenheerde, die der Tag regiert, die früher dich mit Füßen trat, nun feige dir die Füße leckt und dich als »groß« anstaunt, du eherner Koloß – hohl bist du innen doch wie tönend Erz, du hast die Liebe nicht, die Liebe nicht, die Liebe nicht zum ewig Liebenswerthen – du bist verworfen von Schiller und Beethoven! Abtrünniger, du bist nicht groß.
    Er ist nicht groß? Blickt her, ihr großen Seher, aufs ferne menschenöde Eiland, wo Prometheus einsam festgeschmiedet am Fels im Meer! Was wogt durch diese Seele wohl, bis sie gesänftigt, wie nach dem Sturm der wrackbesäte Ocean! Dies stolze unruhvolle Herz, dies Meer, in das Vulkane sich gebettet, sänftigt sich nun und dehnt sich weltenweit und ruhig wird's in ihm. Aus dem Giganten, der den Ossa auf den Pelion gethürmt, wird nun ein Gott, ein ruhig stolzer Gott, der im Bewußtsein seiner Ewigkeit mit unsterblich hehrem Leiden auf das Vergängliche herniederschaut.
    Jetzt bist du groß! Wie einst der arme Unbekannte groß – jetzt, jeder Macht entkleidet, allein dem Schöpfer gegenüberstehend, allein in deiner Blöße, Mensch! Kleiner war der Kaiser, als einst der arme Lieutenant. Da er auf Throne als Schemel sich stützte, als Molochgötze der Gloire, war er kleiner als jetzt, wo er einsam an dem Grabstein seiner Größe lehnte, wieder allein mit den Träumen seiner Jugend, allein mit seinem Genie. Abgefallen sind Purpurtoga und goldner Lorbeerkranz und ellenhoher Kothurn, die Rolle Cäsars ist ausgespielt. Alles Andre war nur ein Fiebertraum im Scheintraum dieses Lügenlebens. Marengo, Austerlitz – das sind nur Namen, gelallt vom Weltgeist im Delirium – Kaiserthum, Weltreich und Gloire, das Gift von Fontainebleau und Elbas Schmach, der Flug gen Notredame, der Donnerschlag von Waterloo – alles nur Schatten, die der Wahn erzeugte, Leiden und Freuden eines Fiebertraums.
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    Und auch aus diesem Traum fuhr der junge Dichter empor, dem Traum der Wahrheit. Verstand er die Wahrheit, die ihm aus dem Abgrund des Unbewußten mächtig entgegenquoll? Verstand er, daß Alles Irdische nichtig sei, keines Lächelns werth und keiner Thräne? Daß nur Eines wahr und echt bleibt im kreisenden Wechsel der Dinge: Das große Ich, die kleine Welt umfassend?
    O hüte, hüte dich, junger Gott! so hörte er entschlummernd eine unsichtbare Stimme. Reiße dir nicht das Ewige aus wundem Herzen! Laß den Fittich deiner Seele nicht hinschleifen im Staube, nicht frech emporkriechen an deines Geistes Postament das niedere Gewürm! Sei groß! Selbst im Orkan bewahre die kalte Wonne innerer Ruhe, wie Alpen ihren Schnee! Schüttle den eitlen Größenwahn ab, der die wahre Größe vergiftet! Sei groß!
    Mit einem Lächeln entschlummerte der Träumer. Wie des Mondes goldiges Strahlenöl die Gewässer sänftigt, so gossen diese Gedanken Frieden in sein dunkles Sein. Noch im Schlaf trugen seine Züge den Ausdruck stolzer Unbeugsamkeit. Ein großer Mann oder ein großer Narr zu werden – beides war in seine Hand gelegt.
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    Rother fuhr hinein in den reinen kaltklaren

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