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Größenwahn

Größenwahn

Titel: Größenwahn Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Karl Bleibtreu
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Merkbüchlein ein: Herr Friedrich Leonhart ist permanenter Ehrengast der ›Teutonischen Monopol-Colonial-Actiengesellschaft‹. Die Reise dorthin kostet nur 1300 Mark; noch neulich sandten wir auf unsere Kosten einen jungen Maler, um Skizzen zu entwerfen.«
    »Zu Reklame-Zwecken?«
    »Gewiß. Ich bin immer offen, wie Sie wissen. Sobald Sie erst bei uns in Uhahuba sind, steht Ihnen Alles zur Verfügung, Betrachten Sie sich dort wie zu Hause , mein theurer Herr Leonhart.« (Das mochte nun freilich seine Schwierigkeit haben, da überhaupt noch kein Haus in Uhahuba stand, wie Paulus am besten wußte. Das nächste Blockhaus in der Nähe eines pantherreichen Dschungels empfahl sich auch recht freundlich als Sommeraufenthalt.) »Haben Sie die Sache zur genauen Kenntniß genommen, Herr Beuthin?« schnarrte er im Commandotou.
    »Zu Befehl, Herr Doctor,« murmelte sein dienstbeflissener Berthier. Der Gestrenge, lächelte holdselig und schwenkte ein neues Cognacgläschen: »Ich erlaube mir ... auf Ihr Spezielles! Sagen Sie, neulich hat ja unser Freund Doctor Wurmb über Ihr neues Werk eine begeisterte Besprechung losgelassen. (Studire übrigens grade das Werk; kaufte es natürlich. Das ziemt sich. Nein, keinen Dank! Die Bücher seiner Freunde kauft man.) Freute mich recht, weil es sich um Sie handelte. War aber sonst ... hm ... nicht besonders geistreich geschrieben, wie?« Da Leonhart nicht mit der Sprache herauswollte, fuhr er eilig fort: »Nun, jedenfalls war es verdienstlich, daß er für einen Mann wie Sie in die Schranken trat. Ach ja, in all meinen praktischen Beschäftigungen beneide ich Sie um Ihre ideale Thätigkeit. Sie wissen, ich studirte früher exacte Philosophie. Noch heute brüte ich in meinen Mußestunden über die Skala der Lust- und Unlust-Empfindungen.«
    »Welche sich gegenseitig aufheben.«
    »Ach nein, doch wohl nicht!« Paulus stieß einen elegischen Seufzer aus. »Die Unlust-Empfindungen überwiegen durchaus.«
    »Daß ich nicht wüßte! Die Unlust wird selbst zur Lust, als Bethätigung des Willens zum Leben, worin Lust und Unlust gleichwerthig. Man muß nur die Wonne des Leids in sich ausbilden.«
    » Sie habe ich natürlich bei meinem allgemeinen Urtheil nicht im Auge gehabt,« versetzte der Gestrenge, sich leicht verbeugend. »Schopenhauer sagt, die Genies seien stets abnorm. Sie als abnorme Natur darf ich nicht in den Kreis meiner Betrachtung ziehen.«
    Leonhart stutzte zuerst, dann wollte er sich innerlich vor Lachen auf dem Fußboden rollen. Offenbar ging der praktische Cyniker von dem richtigen Grundsatz aus, daß jeder Mensch eine unglaubliche Menge Schmeichelei vertragen könne; ahnte aber bei seiner Menschenverachtung nicht, daß es auch Menschenkenner geben könne, die ihn selbst durchschauten. Doch seltsam! Während er ironisch lächelte, fühlte sich der junge Dichter dennoch angenehm von dieser geschickt applizirten Flatterduse gekitzelt.
    »Bei mir,« versicherte der große Colonialpriester mit düsterem Stirnrunzeln und weltschmerzlichem Stimmfall, »überwiegen die Unlust-Empfindungen stets – soviel weiß ich. Kellner, einen Eierpunsch!«
    Ei, dachte Leonhart, nachdem er aller Welt durch seine rücksichtslose Streberei Unlust-Empfindungen bereitet, sitzt er hier dick und fett am Biertisch und philosophirt über die Unlust! – Paulus schien jedoch wirklich von sentimentaler Aufwallung übermannt.
    »Ach, mein Freund, schon allein ... Die Weiber!« Und nun fing er an, englisch – Leonhart, der sehr gut Englisch sprach, begünstigte diese Affektation – von seinen Liebesgeschichten erzählen. Man mußte denken, daß hier Erstaunliches vorlag, wenn man ihm Glauben schenkte. Verlobte Mädchen aus guter Familie besuchten ihn in einer Wohnung und verriethen seinetwegen ihre Bräugams, Aerzte oder Assessoren – zur beliebigen Auswahl.
    »Jaja«, Leonhart wiegte nachdenklich den Kopf. »Der Geist übt eben dämonische Anziehungskraft auf die Frauen aus.«
    »Hm, ja, aber eben nur der praktische Geist,« schnarrte Paulus rasch, als ob er einen Eingriff in seine Privatrechte zurückweise. »Die Energie – das imponirt. Das Weib verachtet den unpraktischen Idealismus. Tata , das Dichten und Denken! Die Energie – das ist die Hauptsache.«
    »Energie! Glauben Sie etwa, daß nicht die höchste Energie erforderlich ist, wie Goethe ein Leben lang die Idee des Weltwerkes ›Faust‹ mit sich herumzutragen und unablässig daran mitzureifen? Offen gestanden, wär' ich ein Genie, wie Sie sagen

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