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Größenwahn

Größenwahn

Titel: Größenwahn Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Karl Bleibtreu
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frei zu sein – kurz, die Zeugnisse eines durch physiologisch-psychologische Processe genau umgestülpten Liebesverhältnisses nebeneinander zu drucken. O Mann, o Weib! Dies Weib, das er für sein Schicksal, für sein Spieler-Glück hielt – verstieß er, um die Tochter der Habsburger an seine Seite zu fesseln, mit welcher ihn Schritt für Schritt Fortuna verließ, so wie die Elende ihn selbst verlassen hat. Was er als Opfer seines persönlichen Glückes seinem Ehrgeiz zur Sättigung hinwarf, grade das schuf den Sturz seiner Herrschaft. Er scheuchte sein altes Glück, sein geliebtes Schicksal, von seiner Seite – das Schicksal rächte sich.
    Ueber dem Schlößchen Malmaison stand sein kaiserlicher Stern zuerst nah dem Zenith. Dort verlebte er mit Josefine den Honigmond seiner Allmacht als Erster Consul. Und eben dort erlosch sein Stern, hier hauchte sie ihren letzten Odem aus – er folgte. Eh er sich England überlieferte, verweilte er die letzten Tage dort – in der Todtenkammer, die einst sein Ehegemach gewesen. Im nie endenden Orkan seines Lebens war dies die letzte Oase, die ihn einlullte mit der Fata Morgana vergangenen Glücks. So verbindet sich Alles in räthselhaftem Kreislauf, Anfang und Ende. Das Schicksal der Liebe, die Liebe des Schicksals. Erhaben der Ruhm, erhabener die Liebe.
    Welch ein Traum, dies Leben! welch ein Traum, von dem die Aeonen weiterträumen werden!
    Dem Sieger von Italien schwenkte man einst eine Siegesfahne entgegen, worauf die Schlachten der Armee von Italien eingeritzt. Am Ziel seiner Laufbahn aber schwebte über seinem Haupte geisterhaft eine schwarze Trauerfahne – darauf stunden sie eingegraben in blutigen Lettern, die Schlachten der Großen Armee: Marengo, Austerlitz, Jena, Friedland, Wagram, Borodino, Dresden – Leipzig, Laon, Waterloo! Der Mensch ist Nichts, sein Schicksal Alles. Er war das Schicksal selbst und hatte sich erfüllt.
    Er fiel, aber die Erde wurde sein Monument. Mit einem einzigen Sprunge schwang er sich hoch auf des Sieges Donnerwagen und sein Triumph durchblitzte die schwüle Erde.
    Welch ein Mensch! Die Sporen seiner Stiefel bohrte er der trägen Menschheit in die Weichen, aus ihrem Schlamme peitschte er sie auf als Gottesgeisel, er fuhr dahin auf seinem fahlen Renner wie der Todesengel der Apokalypse, er riß die Schollen auf wie eine brennende Pflugschar für den Samen der Zukunft. Ja, er hat dem Heros den Charlatan, dem Löwenherz den Falstaff, der Wahrheit die Lüge gepaart; er war ein Gigant mit thönernen Füßen. Aber mit alledem hat er der Welt gezeigt, was ein einzelner Mann vermag vermöge des höchsten Herrscherrechts, das von Gott selber begnadet, kraft der Souverainität des Genies.
    Mag sein, er war ein falscher Messias und wurde an sich zum Judas. Aber sein Schicksal wollte es so. Er folgte einfach dem eingeborenen Dämon seiner Bestimmung, der ihn unaufhaltsam fortriß. Ein Größerer denn er war über ihm – wer sich von ihm gerufen fühlt, kann nicht widerstehen.
    Ja, er war der feurige Wetterstrahl, der die stickig dumpfe Atmosphäre des morschen Europa von einem Ende zum andern durchzuckte, der durch den Gewitterhimmel der Revolution leuchtete wie eines Racheengels Flammenschwert. Der Orkan, mit dem er die Welt durchrüttelte, durchtobte ihn selber und schleuderte ihn wie eine entfesselte Naturgewalt über zerstampfte Völkerleichen hin. Millionen fluchten ihm, Millionen wurde sein Name ein Talisman der Begeisterung. Man kann das Eine nicht loben, das Andere nicht tadeln. Denn er war wie ein blindes taubes Naturgesetz, wie eine eiserne Nothwendigkeit. Das Splitterrichtern der neidischen Mittelmäßigkeit, der zwerghafte Neid verklagt ihn vor dem Richtstuhl der Geschichte. Aber er hatte der Welt in sich ein Ideal gegeben, in der übermenschlichen Symbolik seines Schicksals – das gilt mehr wie alle Ideologie. – – –
    Als ob der Zufall zu den Reflexionen Leonharts einen geheimen Zusammenhang beanspruche, stieß dieser plötzlich nahe an der Potsdamer Brücke auf ein seltsames Paar. Ein auffallend kleiner Mann, genau so groß wie Napoleon gewesen, schritt heftig gesticulirend neben einem Riesen her, der demüthig auf seine Worte wie auf prophetische Weissagungen zu lauschen schien.
    »Sieh da, Doctor Paulus!«
    Der kleine Herr blieb stehn und erwiderte Leonharts cordialen Gruß mit einer Verbindlichkeit, welche etwas Gezwungenes und Verlegenes nicht verleugnen konnte. »Ah, entzückt Sie mal wieder zu sehn. Wollen eben in den Café

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