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Größenwahn

Größenwahn

Titel: Größenwahn Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Karl Bleibtreu
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– kraft der inneren Untheilbarkeit des Genies, das ja Alles kann, was es anpackt möcht' ich mich dann wohl verpflichten, unfähigen Gegnern gegenüber die Campagne Bonapartes von 1796 zu leisten – aber den ›Faust‹ zu schreiben möchte wohl über meine Kräfte gehen.«
    »Ah! Na! Darüber läßt sich streiten.« Paulus sprang rasch von dieser Frage ab, die ja seine Eitelkeit kaum interessiren konnte, und fing statt dessen an, eine schreckliche Mordsgeschichte zu berichten. Er theilte Leonhart im Vertrauen mit, daß er heut früh ein Duell gehabt habe. Er sei mit einer Dame, einer schönen Dame, in einem Café gewesen. Da habe ein Dandy am Nebentisch anzügliche Bemerkungen über ihn und die Dame verlautbart. Er gleich hin – schneidig Rechenschaft verlangt – verweigert – Forderung – sofort am andern Morgen im Grunewald. »Und da hab ich ihm nun heut Morgen eine Kugel ins Bein geschossen!« schnarrte er, indem er zugleich eine unnachahmliche Miene des Bedauerns und gekränkter Würde annahm.
    Leonhart starrte ihn sprachlos an. Glaubte der kleine Mann denn wirklich, daß solche Fabeln, die in sich als unmöglich zerfielen, Anklang finden konnten? Eigentlich lag doch eine beleidigende Geringschätzung für Den darin, dem er solche wilde Märe auftischte. Als sein Blick zugleich auf den Chef des Colonial-Generalstabs fiel, der mit gehorsamem Maschinengesicht die englische Conversation, von welcher er kein Wort verstand, über sich ergehen ließ, – ergriff den Dichter ein solcher Ekel, daß er sich plötzlich empfahl. Der große Mann biederte ihn beim Abschied verbindlich an, brach aber seinem Seïden gegenüber los: »Ist das ein widerwärtiger Mensch! Ich machte noch gestern dem Wurmb Vorstellungen, wie er den Menschen so überschätzen könne. Sein neues Buch –«
    »Herr Doctor haben es gekauft?«
    »Ich? Gott soll mich bewahren!«
    »Aber Sie äußerten doch vorhin ...«
    »Gewöhnen Sie sich dies doch endlich ab, Beuthin,« schnarrte der kleine Mann in seinem vernichtendsten Nasalton, »Sie mißverstehen mich immer. Nicht mit Augen gesehn hab' ich das dumme Buch. Dies Gedichteln überhaupt! Als ob wir nicht schon an den ollen Klassikern übergenug hätten! – Uebrigens, denken Sie an meine Worte, der Mensch wird noch im Irrenhause enden. Will die Campagne von 1796 auch machen – ein Mensch, der nicht mal Militär ist. Haarsträubend! Der pure Größenwahn ! – Was, wie, sind Sie nicht auch meiner Ansicht, Sie?«
    »Zu Befehl, Herr Doctor,« stammelte der hochgewachsene Chef des Generalstabs mit der gelben Notiztafel, unter dem Blick seines Empereurs erzitternd in seines Nichts durchbohrendem Gefühl. Dieser aber fing in kreuzfideler Stimmung zu trällern an: »Mutter, der Mann mit dem Coaks ist da!«
    – – – – – – – – – – – – – – – – – – – – – – – – – – – –
    Was für ein Mensch, dieser kleine Duodez-Napoleon! dachte Leonhart, indem er sich zu Haus entkleidete. Aber was für ein Beweis, wozu man es bringen kann mit Glück und strebernder Energie! Waren Napoleons Anfänge denn anders? War er minder verlogen und grundsatzlos? Ist dies nun Größe?
    Und da der Dichter also sann, umspann sein Hirn ein wundersamer Traum. Gewaltig sah er an sich vorüberwallen – wie Banquo's Königsschatten, im Hermelin vermummt – die Schatten der vergangenen Thaten, die man als »Größe« pries. Doch was ist Größe?
    Ihm war, als sehe er ihn vor sich, den Korsen. Bleichfarbig, hager wie dem Grab entstiegen, von Wuchs weit unter dem gewohnten Maß, von straffem Haar das Haupt umwallt, aus dem ein schicksalmächtiger Blick, dolchscharf wie blauer Stahl, dämonisch blitzt. Er ist allein und hungert. Jener Name, der einst die Himmelswölbung erschüttern wird, blieb im Sturm der Zeit noch ohne Echo. Die bunte Menge rennt an Ihm vorüber, auf den einst die Aeonen schauen werden, nur verächtlich musternd die Knechtsgestalt des unbekannten Gottes.
    Und dennoch ist er ja glücklich, in dem Bewußtsein innerer Allmacht groß, der kleine Bonaparte! Groß war er ja als Knabe schon, da er dem Windeswehn und Meeresrauschen der Heimathinsel lauschte – er, aller Träumer Größter, Shakespeare der That, dem all sein Leben zu einer Schicksalsdichtung ward.
    Horch, wie Posaunen schmettert's durch die Lüfte! Der Aar der Weltgeschichte rauscht herab, empor aus ruhmvoller Verborgenheit reißt es den großen Unbekannten, Diogenes aus seiner Bettlertonne, empor zum

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