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Gromek - Die Moral des Toetens

Gromek - Die Moral des Toetens

Titel: Gromek - Die Moral des Toetens Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Michael Lutz
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Junggesellen-Haushalts durch
die nur angelehnte Balkontür. Er zog seine Waffe aus dem Hosenbund, ließ seine
kräftigen Finger noch einmal über den kühlen Schalldämpfer gleiten, um zu
überprüfen, ob dieser sich inzwischen nicht gelockert hatte, und wartete auf
den richtigen Augenblick.
    Wolfgang Bubeck trat aus dem Badezimmer.
    Sein linker Arm steckte in einem blendendweißen frischen Oberhemd,
das kaum wahrnehmbar nach Umweltbelastung durch eine chemische Reinigung mit
Ein-Stunden-Abholservice roch. Er war gerade damit beschäftigt, mit drei
Fingern seiner rechten Hand den fest angenähten, perlmuttschimmernden
Ärmelknopf durch das enge Knopfloch zu schieben, als er Gromek bemerkte.
Ungläubig blickte er in den Lauf der auf ihn gerichteten Glock .
    Bubecks rosiges Gesicht verlor augenblicklich an Farbe, und
gleichzeitig wurde ihm übel. Ganz plötzlich verspürte er den starken Drang,
sich an Ort und Stelle zu übergeben. Die bleiche Stirn, seine blassen, konturlosen
Wangen und die weiße Partie um seinen Mund herum bekamen einen grünlichen
Hauch. Für einen lächerlich kurzen Moment sah er Gromek ins Gesicht, ehe er
wieder das Instrument fixierte, das seinem Leben in wenigen Augenblicken
unwiderruflich ein Ende setzen würde.
    Wer sein Vollstrecker war, schien ihn überraschenderweise nicht
sonderlich zu interessieren. Wolfgang Bubeck blickte auf die Pistole, als wäre
diese von erfahrenen Fachleuten ausgetüftelte und tausendfach getestete
Kunststoff-Metall-Zusammensetzung, die ohne Munition lediglich phantastische
670 Gramm wog, ein noch nie gesehenes, wundersames Ding aus einer anderen Welt,
von dessen Betrachtung er nicht genug bekommen konnte.
    Es würde eines der letzten Dinge sein, was Wolfgang Bubeck noch
bewusst wahrnehmen sollte, ehe er sterben musste.
    Abwehrend hob er in einer letzten, reflexartigen Aufwallung die
Hände, wich Schritt um Schritt zurück und verlängerte so sein Leben um
schätzungsweise fünf Sekunden. Der Gedanke an Flucht, an ein Täuschungsmanöver
oder gar an einen Angriff kam ihm in seiner grenzenlosen Überraschung und der
damit einhergehenden Verstörtheit nicht in den Sinn - obwohl er ein Profi war.
Vielleicht aber auch gerade deswegen.
    »Nein! Bitte! Tun Sie das nicht! Das, das muss ein Irrtum sein!
Ich arbeite für Sektion¬4, ich ...«, brach es aus ihm heraus.
    Doch es war zu spät. Zwei Kugeln durchschlugen seine Brust und
tränkten das gerippte Unterhemd und das halb angezogene Oberhemd mit Blut. Die
Wucht der Kugeln warf ihn nach hinten und ließ seinen Körper mit einem dumpfen
Geräusch auf dem Boden aufschlagen. Würdig sah es nicht aus, wie der tödlich
Getroffene auf dem hellen Flurteppich lag.
    Irritiert ließ Gromek die Waffe sinken. Während seine Hände mit
der üblichen Routine den durch die Schüsse warmen Schalldämpfer abschraubten,
machte er zwei Schritte auf sein Opfer zu. Dicht neben Bubeck ging er in die
Knie und streckte eine Hand nach dem Sterbenden aus. Doch an der Halsschlagader
konnte er keinen Puls mehr ertasten.
    Ebenso wenig am Handgelenk.
    »Sektion¬4? Sagtest Du Sektion¬4?!«
    Bubeck atmete noch. Zwar flach und unregelmäßig, aber er atmete.
Er sah Gromek starr an, ohne zu blinzeln oder die Augäpfel zu bewegen. Erst
jetzt schien er seinen Mörder bewusst wahrzunehmen. Mit einer Hand krallte sich
der Todgeweihte an Gromeks Revers fest und zerknitterte es. Sein
Gesichtsausdruck hatte dabei etwas Vorwurfsvolles, ja Anklagendes, als wollte
er sagen: »Hättest Du mich doch nur ausreden lassen! Dann könnte ich jetzt noch
am Leben sein!«
    Ohne besondere Anteilnahme zu zeigen, beugte Gromek sich vor und
brachte sein rechtes Ohr in die Nähe von Bubecks unkontrolliert zuckenden
Lippen, während der noch versuchte, sich zu artikulieren.
    Doch vergebens.
    Seine Lippen hörten auf, sich zu bewegen. Wolfgang Bubeck, der 49
Jahre alte Ingenieur für Maschinenbau, der zu DDR-Zeiten Major gewesen war und
einen Großteil seines Lebens in den Dienst des Ministeriums für
Staatssicherheit gestellt hatte, starb still und leise, ohne ein weiteres Wort
gesagt zu haben.
    Nachdenklich löste Gromek die Hand des Toten von seiner Kleidung
und legte sie auf dessen Bauch, bevor er wieder aufstand. Dann ging er zum
Telefon und tippte eine elfstellige Nummer ein. Schon nach dem ersten
Klingelton knackte es in der Leitung.
    »Ja?«
    »Auftrag erledigt.«
    »Verstanden.«
    Wie es in solchen Fällen üblich war, legte Gromek den Hörer neben
das Telefon, ohne

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