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Gromek - Die Moral des Toetens

Gromek - Die Moral des Toetens

Titel: Gromek - Die Moral des Toetens Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Michael Lutz
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war.
Zielstrebig lief Bubeck durch die wenigen Regale und langte in einem
Spirituosen-Fach, welches mangels Auswahl kaum seinen Namen verdiente, nach
einer Flasche Korn. Eine zweite Flasche ließ er aus Rücksicht auf seine
angegriffene Leber schweren Herzens stehen. Er stellte den Alkohol auf die
zerkratzte Theke des Ladeninhabers, woraufhin dieser hinter sich fasste, um
ungefragt - und begleitet von einem nahezu kapitalistisch geschäftstüchtigen
Lächeln - eine Packung Camel Filterzigaretten dazuzulegen. Der
Ladenbesitzer kannte seine Stammkunden. Kurz darauf trat Bubeck wieder ins
Freie. Die Ladentür brachte die ermattete Glocke erneut zum Klingeln, das
jedoch schon nach zwei Tönen abrupt erstarb, als die Tür mit einem lauten Knall
ins Schloss fiel.
    Gemächlich steuerte Bubeck auf ein Mietshaus zu. Es musste Anfang
der 1960er Jahre, in der Zeit des Mauerbaus, entstanden sein, und war erst vor
wenigen Wochen - zum ersten Mal seitdem - frisch verputzt worden. Die Fassade
zeigte jetzt ein makelloses Weiß. Wenn das quaderförmige Bauwerk von der Sonne
beschienen wurde, reflektierte es neuerdings so stark, dass empfindliche Augen
von seinem Anblick geblendet waren. Zudem katapultierte das neue Äußere das
ansonsten unauffällige Gebäude in der Hierarchie der Nachbarhäuser ganz nach
vorn. Es gehörte nun zu den besseren in der Straße.
    Es war um die Mittagszeit, und wie zu dieser Stunde üblich war
kein Mensch auf der Straße zu sehen. Bubeck, der mit seiner klobigen Hand den
von einer Tüte umhüllten Boden der Flasche Korn umschloss, betrat das Haus
durch eine halboffene Tür, welche mit einem Holz-Keil fixiert worden war, und
verschwand darin.
     
    Das Treppenhaus lag im Halbdunkel. Von der Deckenbeleuchtung war
das Glas abgenommen worden, Leitungsdrähte hingen wirr aus einer bröselnden
Öffnung heraus. Kaum dass er den Hausgang betreten hatte, stieß Bubeck gegen
ein rosa Kinderfahrrad ohne Sattel, zwischen dessen platten Reifen nur noch
wenige Speichen steckten. Er manövrierte sich um eine Ansammlung von Werkzeugen
herum, deren Besitzer wohl ihre Reparaturarbeiten an dem defekten Fahrstuhl
für die Mittagspause unterbrochen hatten, und stieg die knarrende Treppe
hinauf. Hin und wieder drangen Stimmen aus den Wohnungen. Die meisten von ihnen
überschlugen sich geradezu in verschiedenen fremdländischen Sprachen, was sich
für Bubecks deutsche Ohren anhörte, als würden die einzelnen Familien ununterbrochen
miteinander streiten.
    Als seine Schritte leiser wurden, schob sich Michael Gromek
lautlos aus der Kabine des defekten Lifts in den Hausgang und folgte seinem
Opfer. Einige Etagen über ihm krachte eine Wohnungstür ins Schloss. Während er
Stufe um Stufe nach oben stieg, zog er seine Glock  17 aus dem
Gürtelholster und schraubte gewissenhaft einen Schalldämpfer auf. Die mit 18
Vollmantel-Patronen bestückte Glock wog aufgrund ihres hohen Kunststoff-Anteils
nur 670 Gramm und war seit Anfang der Neunziger des vergangenen Jahrhunderts
die Standarddienstwaffe der GSG-9 . Gromek trug sie nicht nur aus
alter Anhänglichkeit, sondern vor allem ihrer Zuverlässigkeit wegen. Unter
Fachleuten hieß es, die in Österreich gefertigte Glock  17 sei eine
der besten Pistolen der Welt.
    Gromeks erste Dienstwaffe in seiner Zeit als GSG 9 -Beamter
war eine Walther  P1 gewesen, deren Leichtmetall-Griffstück aber dem
Trainingsschießen nicht standhielt, wie sich bald gezeigt hatte. Die Waffe war
nur für eine Lebensdauer von etwa 5.000 Schuss konzipiert. Die Beamten des
Spezialverbandes verfeuerten jedoch bis zu 1.000 Schuss - am Tag.
    In den Bundesgrenzschutz-Waffenkammern lagerten Mitte der 1970er
Jahre noch mehrere Tausend SIG-Pistolen der Modellreihe 210. Die 210 war eine
präzise und elegante Pistole, mit dem Nachteil, dass sie nur eine Hahnspannung
hatte und lediglich ein einreihiges Patronen-Magazin, das zudem einen
umständlichen Magazin-Halter unten am Griff besaß. Schließlich optierten die
Spezialisten der GSG-9 , allen voran der an Waffen besonders
interessierte Kommandant Ulrich K. Wegener, für einen Revolver als
Standardwaffe: den 5-chüssigen Smith & Wesson Chief
Special M 36. Der Revolver galt einerseits nur als Zweitwaffe, da bei
Einsätzen hauptsächlich Maschinenpistolen benutzt wurden. Zum anderen sollten
die GSG-9 -Beamten die Smith & Wesson rund um
die Uhr tragen, auch in Zivil. Die alternativ vorgesehene Walther PPK
fiel aus, weil während eines SAS -Einsatzes in London bei einer

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