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Gromek - Die Moral des Toetens

Gromek - Die Moral des Toetens

Titel: Gromek - Die Moral des Toetens Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Michael Lutz
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Von der Straße her näherte sich ein Lieferwagen.
»Ganz ruhig bleiben!« ermahnte sie sich selbst in Gedanken. »Ich muss nur den Volvo erreichen, dann bin ich weg!« Hastig kramte sie in ihrer Handtasche nach den
Schlüsseln des Volvos .
    Mit zittrigen Fingern schloss sie die Fahrertür auf. Doch als sie
einsteigen wollte, wurde sie von einem der russischen Leibwächter grob am Arm
gepackt. Sein Griff war fest wie ein Schraubstock. Er zog Lisa von ihrem Wagen
weg und nahm ihr den Autoschlüssel ab. Dann riss er ihr die Handtasche von der
Schulter und warf sie seinem Kollegen zu. Der öffnete den Verschluss, zog die
Handtasche bis zum Anschlag auseinander und leerte den Inhalt auf das Dach des Volvos aus, indem er die Tasche mehrmals heftig schüttelte. All das wurde begleitet
von einem Wortschwall, dem Lisa nur eines entnehmen konnte: den Namen Oleg, mit
welchem er den Mann, welcher ihren Arm hielt, anzureden schien.
    Lisa musste dringend Zeit gewinnen. Doch weder durfte sie sich
anmerken lassen, dass sie einmal eine Nahkampfausbildung genossen hatte, noch, dass
sie nach wie vor regelmäßig an dem für ihre Gefahrenklasse vorgesehenen
Training teilnahm. Mehr zum Schein begann sie sich zu wehren und tat, als würde
sie versuchen, ihren Arm aus Olegs Griff zu winden. Den kümmerten ihre
hilflosen Befreiungsversuche wenig. Er verstärkte seinen Griff, ohne den Blick
von seinem Partner zu wenden, der begonnen hatte, den Inhalt der Handtasche zu
durchsuchen. Was er als wertlos erachtete, warf er kurzerhand fort. Dieser
Vorgang lief mit einer Geschwindigkeit und Präzision ab, die den Anschein
erweckten, das Durchsuchen von Handtaschen sei seine zweite Profession.
    Lisa nutzte den unbeobachteten Moment, um sich, so weit möglich, einen
Überblick zu verschaffen. Die Trauergäste hatten sich über das gesamte
Friedhofsgelände verstreut. Einige kauerten hinter Grabsteinen, andere hatten
sich hinter der Kapelle gesammelt. Die meisten von ihnen stiegen bereits in die
wartenden Limousinen. Niemand schien Lisa zu beachten.
    Der Lieferwagen kam näher. Die Seitentür öffnete sich und glitt in
ihrer Halterung zurück. Lisa war nach wie vor in Olegs Griff gefangen. Mit
einer gezielt eingesetzten Technik hätte sie sich wahrscheinlich kurzfristig
befreien können - allerdings waren beide Leibwächter bewaffnet und sie nicht.
Ein Risiko, das sie nicht eingehen durfte. Nur das Observationsteam konnte sie
jetzt noch aus dieser Situation herausholen.
    Der zweite Leibwächter hielt gerade den falschen Lippenstift in
der Hand. Unschlüssig drehte er ihn zwischen den Fingern und forschte
gleichzeitig in Lisas Gesicht nach einer Reaktion, die ihm verraten würde, was
es damit auf sich hatte. Doch Lisa schaute in eine andere Richtung. Instinktiv
folgte er ihrem Blick. Aus der Seitentür des Lieferwagens schob sich die
Mündung einer Maschinenpistole. Mit einer einzigen schnellen Bewegung zog er
einen großkalibrigen Revolver aus seinem Schulterholster und legte an. Seine
Stimme überschlug sich, als er seinem Partner etwas zurief.
    Oleg duckte sich sofort - er vertraute der Warnung des anderen
blind.
    Noch ehe der zweite Leibwächter eine Kugel auf den Lieferwagen
abfeuern konnte, wurde er von einer Salve von Schüssen niedergestreckt. Mehrere
Geschosse durchschlugen seinen oberen Brustbereich. Er war auf der Stelle tot.
    Inzwischen hatte Oleg Lisa grob in den Volvo gestoßen, bis
sie sich auf der Beifahrerseite befand. Er selbst schwang sich hinter das
Steuer des Wagens und knallte die Tür zu. Gleichzeitig begann er auf Russisch
zu fluchen. Der Motor heulte auf.
    Lisa versuchte, die Beifahrertür zu öffnen. Während ihres
unfreiwilligen Ortswechsels war ihre rechte Schläfe hart gegen die Armaturen
des Wagens gestoßen. Der Volvo machte einen Satz rückwärts. Oleg wendete
das Fahrzeug und jagte es mit Tempo durch die Friedhofseinfahrt. Lisa krachte
mit der Schulter gegen die Tür. Sie kämpfte um ihr Gleichgewicht. »Verdammt!«
fluchte sie in Gedanken. »Warum knallen die ihn nicht auch einfach ab?!«
    Doch der Schütze im Lieferwagen musste das Feuer einstellen: Lisa
saß genau zwischen ihm und ihrem Entführer. Schlingernd, mit offener Seitentür
und rauchenden Reifen nahm der Fahrer des Teams die Verfolgung des Volvos auf.
     
    Gromek hatte längst reagiert. Noch bevor die ersten flüchtenden
Trauergäste auf dem Parkplatz angekommen waren, hatte er seinen BMW in
Bewegung gesetzt. Elegant war er durch das Friedhofstor gerauscht

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