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Gromek - Die Moral des Toetens

Gromek - Die Moral des Toetens

Titel: Gromek - Die Moral des Toetens Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Michael Lutz
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Die
ersten Autos hinter ihr begannen zu hupen. Scheinwerfer wurden aufgeblendet.
Lisa rieb sich die Stelle, an der vor wenigen Minuten noch die Mündung der
russischen Pistole gesessen hatte. Sie hatte nicht die geringste Ahnung, wer
die rettenden Schüsse auf ihren Entführer abgegeben hatte. Schlagartig wurde
ihr bewusst, dass sie diesen Ort so schnell wie möglich verlassen musste.
Mitten auf der Kreuzung stieg sie aus und rannte über die Straße, ohne auf den
Verkehr zu achten. Vor ihr lag eine U-Bahn-Station.
    Wenige Augenblicke später war auch sie vom Ort des Geschehens
verschwunden.
     
    Über den Parkplatz des Einkaufszentrums ratterten die Einkaufswagen.
Kofferraumdeckel standen offen, Autos wurden mit Essbarem beladen. Entnervte
Mütter zerrten plärrende Kinder hinter sich her.
    Lisa stand in einer Telefonzelle im Eingangsbereich des Baumarktes,
auf dessen Parkplatz ihr Jeep Cherokee stand. Ihr Magen hatte sich
inzwischen beruhigt. Behutsam strich sie eine dicke Strähne ihres blonden
Haares über die Stelle an ihrer rechten Schläfe, die sich gerade zu einer
großen Beule entwickelte. Während sie telefonierte, beobachtete sie, wie die
Polizeibeamten, die am Morgen den Verkehr geregelt hatten, in ihre
Dienstfahrzeuge stiegen und davonfuhren. Die Ampeln funktionierten wieder.
    »Sie haben Ihre Arbeit so gut gemacht, wie es unter den gegebenen
Umständen eben möglich war«, versicherte ihr Viktor Kilar in beruhigendem
Tonfall. »Niemand konnte voraussehen, dass die Operation sich so dramatisch
entwickeln würde. Machen Sie sich deshalb also keine Vorwürfe. Wenn Sie mit
jemandem über die Sache sprechen wollen, kann ich gern kurzfristig einen Termin
bei einem unserer Psychologen für Sie arrangieren. Wie gesagt - nur, wenn Sie
wollen.«
    Lisa atmete tief durch.
    »Nein, danke«, lehnte sie mit fester Stimme ab. »Ich denke, ich
habe schon Schlimmeres erlebt.«
    »Ja - ja, natürlich«, beeilte sich ihr Gesprächspartner zu antworten.
»Und Sie wissen wirklich nicht, wer Ihnen den Russen vom Hals geschafft hat?«
hakte er noch einmal nach.
    »Nein«, antwortete Lisa lakonisch. Sie sah keinen Sinn darin, eine
einmal gegebene Information zu wiederholen, wenn sie ganz offensichtlich bei
ihrem Adressaten angekommen war.
    »Mysteriöse Angelegenheit«, resümierte Kilar. »Äußerst mysteriöse
Angelegenheit ... Wie auch immer - wir werden uns um die Aufklärung kümmern und
Sie diesbezüglich auf dem laufenden halten.«
    »Sicher.«
    Lisa hängte den Hörer ein und verzog das Gesicht.
    »Diesen Tag hätte ich mir doch wohl in voller Länge und Breite
schenken können!« fluchte sie leise, bevor sie sich auf den Weg zu ihrem Wagen
machte.

7 .  Spiel
     
    »Warum heißt es Babysitter? Wir sind doch keine Babies mehr! Und
warum muss es ausgerechnet Jenny sein?« protestierte Daniel.
    »Ja, genau! Jenny ist doof!« stimmte seine Schwester ihm zu.
    »Jenny liegt nur auf der Couch und liest Liebesgeschichten und
ähnliches blödes Zeug. Und kümmert sich kein bisschen um uns!«
    »Ja. Kein bisschen!« echote Julia.
    »Warum können wir nicht zu Frau Voss von gegenüber. Die hat
Satelliten-Fernsehen ...«
    »... und einen Kanarienvogel, der singen kann.«
    »Außerdem müsste es anders heißen. Aber auf keinen Fall Babysitter.«
    »Kinder-Betreuer wäre nicht schlecht. Oder ...«
    »... Zu-Bett-geh-Service-Person vielleicht. Das ist immer noch
besser als ...«
    »Was ist eine Service-Person?«
    »Das ist jemand wie der Mann vom Pizza-Service. Er bringt Dir
etwas, aber nur gegen Geld. Er tut es nicht, weil es ihm Spaß macht oder so.«
    »Ich wäre für einen Kinder-Dompteur«, mischte sich Lisa, die mit
hochgezogenen Augenbrauen vor dem Badezimmerspiegel stand und sich schminkte,
halb belustigt in die Diskussion ihrer Kinder ein.
    Daniel und Julia saßen auf dem Bett ihrer Mutter und beobachteten,
wie sie die Augenlider nachzog und mit dem Schminkpinsel ihre Wimpern
einfärbte. Einen blauen Fleck unter der Lippe, der noch vom Vortag stammte,
hatte Lisa, ebenso wie eine geschwollene Stelle am rechten Jochbein, bereits
mühsam übertüncht. Wenigstens die beachtliche Beule an ihrer Schläfe wurde von
ihren Haaren verdeckt, so dass Lisa sie nicht extra verbergen musste. Sie
fühlte sich müde und zerschlagen.
    Sie konnte sich nicht erinnern, überhaupt schon einmal in eine
ähnlich gefährliche Situation geraten zu sein. Sicher hatte es in den vergangenen
zehn Jahren hin und wieder Komplikationen gegeben. Doch nie

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