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Gromek - Die Moral des Toetens

Gromek - Die Moral des Toetens

Titel: Gromek - Die Moral des Toetens Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Michael Lutz
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ein letztes Mal. Mitten in der Bewegung
hielt Gerhard Nelling inne und sah sie aus seinen leuchtenden hellgrauen Augen
an. Er lächelte, und es schien, als würde er einen Moment lang bedauern, dass
er nicht zwanzig Jahre jünger war. Wäre er es plötzlich auf wundersame Weise
gewesen, Nelling hätte ohne Zögern - und ohne jede Rücksicht auf Ansprüche, die
Gromek vielleicht stellen mochte - versucht, die hübsche Unbekannte zu erobern.
Das Lächeln auf seinem Gesicht erlosch. Mit einem Ruck drehte sich Gerhard
Nelling um und war nur zwei schleppende Schritte später aus ihrem Blickfeld verschwunden.
    Es dauerte nur wenige Minuten, bis Lisa und Gromek das Hotelzimmer,
insbesondere das Bett, wieder hergerichtet hatten. Nicht einmal das
Zimmermädchen würde bemerken, dass sich hier ungeladene Gäste aufgehalten
hatten. Lisa zog die Vorhänge zurück in ihre alte Position. Gromek löschte das
Licht.
     
    Wilmersdorf lag schon im Halbschlaf, als sie vor Lisas Haus eintrafen.
Als sie aus Gromeks BMW stiegen, war es absolut still in der Straße.
Kein Nachbar, der seinen Hund ausführte, war zu sehen. Keine Familie, die von
einem Ausflug spät nach Hause kam. Nicht einmal die Zweige der Bäume in den
Vorgärten bewegten sich.
    Kaum hatten sie den Fuß über die Schwelle gesetzt und das Haus
betreten, eilte ihnen Julia entgegen und warf ihre Mutter vor Freude beinahe
um: »Mami, ich hab so lange auf dich gewartet! Wo warst Du die ganze Zeit?«
Diese löste sich lachend von ihrer Tochter, die ihre Arme um Lisas Hüften
geschlungen hatte, und hob sie liebevoll hoch. Beide hatten einander vermisst
und waren froh über das Wiedersehen.
    »Hallo, mein kleiner Schatz. Ich habe doch extra angerufen, dass
ich später komme. Das ist doch noch keine zwei Stunden her. Wo hast Du denn
deinen Bruder gelassen?«
    Ohne auf die Frage ihrer Mutter einzugehen, richtete Julia ihre
Aufmerksamkeit auf Gromek und sah ihn neugierig an: »Dich habe ich schon mal
gesehen. Deinen Namen hab ich aber, glaub ich, vergessen.«
    Gromek schloss die Tür. Er blickte in das aufgeweckte Kindergesicht,
das ihn aus Augenhöhe ansah. »So, so. Du hast mich also schon mal gesehen. Ich
würde mich aber bestimmt daran erinnern, wenn ich so einer hübschen jungen Dame
schon einmal begegnet wäre. Wann soll das denn gewesen sein?«
    Michael Gromek schien Julia sympathisch zu sein. Sie beobachtete
ihn genau und lächelte ihn schelmisch an: »Das weiß ich nicht mehr. Dein
Gesicht war in unserem Computer.«
    »Jetzt ist es aber genug.«
    Lisa stellte ihre Tochter wieder auf den Boden. Gleichzeitig kam
Daniel die Treppe herunter, angelockt von den Gesprächsfetzen, die er in seinem
Zimmer aufgeschnappt hatte.
    »Wer ist der Mann, Mami?«
    Auch Julia war nach wie vor brennend interessiert: »Ja. Wer bist Du?
Und wie heißt Du? Du hast mir deinen Namen immer noch nicht gesagt.«
    »Das ist Herr Gromek, Du Quälgeist«, beantwortete Lisa die Frage,
während sie zu ihrer Tochter hinabblickte. Und zu Gromek gewandt: »Bitte,
nehmen Sie doch Platz und machen Sie es sich bequem. Wenn Sie etwas trinken möchten
- die Bar ist da drüben.«
    Mit einer unbestimmten Handbewegung wies sie in Richtung Wohnzimmer.
    Gromek betrat den Raum und setzte sich auf die Couch. Die Kinder
blieben ihm dicht auf den Fersen. Für sie war er die Attraktion des Abends.
Julia hatte keine Scheu, sich neben Gromek zu setzen und es sich an der
Seitenlehne bequem zu machen. Daniel war zurückhaltender und ließ sich vorerst
in einem der Sessel nieder. Beide Kinder starrten den unerwarteten Besucher an.
Dann bemerkte Daniel: »Die Bar ist da drüben. Aber sie ist abgeschlossen.«
    Gromek drehte den Kopf nach links. Dort stand ein weißer Rollwagen
mit zugeklapptem Deckel.
    »Abgeschlossen? Wieso?«
    »Weil wir noch Kinder sind«, erwiderte Julia ernst. »Und Kinder
dürfen keinen Alkohol trinken. Deswegen. Das müsstest Du doch wissen.«
    »Wo ist denn überhaupt der Schlüssel?« erkundigte sich Daniel bei
seiner Schwester.
    »Wozu willst Du das wissen?«
    »Nur so.«
    »Nur so?! Das glaub' ich Dir nicht.«
    »Wenn ich es doch sage.«
    Plötzlich verstummten die Kinder. Sie beobachteten gespannt, wie
Gromek zu der Hausbar ging und sich an ihr zu schaffen machte. Einen Augenblick
später war sie offen. Er warf einen Blick auf den Inhalt. Zufrieden stellte er
fest, dass sich mit der Auswahl durchaus etwas anfangen ließ: Gin, Cognac,
Weinbrand, brauner Rum, Wodka, Bourbon, Scotch, Campari, Tequila,

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