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Gromek - Die Moral des Toetens

Gromek - Die Moral des Toetens

Titel: Gromek - Die Moral des Toetens Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Michael Lutz
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das Scandicain an drei
verschiedenen Stellen neben der Wunde. Als nächstes musste die Verletzung
selbst desinfiziert werden. Lisa füllte das Wasserstoffperoxyd und die
Kochsalzlösung in jeweils eine der beiden Metallschalen. Mit einer weiteren
Spritze zog sie erst das Wasserstoffperoxyd auf und reichte sie dann Nelling.
Dieser injizierte das Wasserstoffperoxyd in die Wunde und wartete, bis es aufgeschäumt
war. Anschließend spülte er mit der Kochsalzlösung nach.
    Nelling ergriff mit der rechten Hand den Nadelhalter, der wie eine
Kombination aus Schere und Zange aussah, und klemmte die gebogene Nadel ein, an
der der durchsichtige Faden bereits angeschweißt war. In seine Linke nahm er
die chirurgische Pinzette, mit der er vorsichtig Gromeks Haut anhob und
festhielt.
    »Die Narbe hier oben kenne ich ja noch gar nicht. Sie scheint mir
relativ neu und ziemlich schlecht verheilt zu sein«, rügte Nelling, während er
die Wunde nähte und zwischen zwei Stichen mit der Pinzette auf eine Stelle
zeigte, die zehn Zentimeter höher lag.
    »Eine Urlaubserinnerung.«
    »Urlaub? Du und Urlaub? Das kannst Du jemand anderem erzählen,
aber nicht mir. Schließlich bin ich noch nicht völlig verblödet.«
    »Er war auf den Komoren«, warf Lisa mit einem angedeuteten Lächeln
ein. »Ich hab's geglaubt.«
    »Hübsche Mädchen sollten noch nicht einmal die Hälfte von dem
glauben, was ihnen hübsche Jungs so alles erzählen. Das sollten Sie eigentlich
wissen, Lisa. Schließlich sind Sie über das Zahnspangen-Alter doch schon ein
paar Jährchen hinaus.«
    »Könnten wir jetzt mal das Thema wechseln?« mischte sich Gromek in
Gerhard Nellings Monolog ein, ohne viel Hoffnung zu hegen, dass sich sein
Freund und privater Leibarzt von ihm vorschreiben ließe, worüber er zu reden
oder nicht zu reden hatte.
    »Haben Sie das gehört, Lisa? Dem netten jungen Herrn hier wird der
Boden zu heiß, was?«
    »Da haben Sie wohl recht«, bestätigte Lisa, der die ruppige und
gleichzeitig offene Art des Oberstleutnant a.D. gut gefiel, mit einem
spöttischen Seitenblick auf Gromek. Sie fühlte sich plötzlich entspannter als
zuvor. Gerhard Nelling behandelte Gromek wie ein übermütiges Kind, das
verbotenerweise auf einen Baum geklettert und dann heruntergefallen war, und
rückte so, ohne es zu wissen, das Kräfteverhältnis zwischen Gromek und Lisa
zurecht.
    Eine einzige Frage blieb von dieser Entwicklung unberührt, und das
war die wichtigste von allen: Würde Gromek seinen Auftrag, sie zu liquidieren,
am Ende doch ausführen oder würde er sie verschonen, selbst wenn er dabei sein
eigenes Leben in Gefahr brachte? Nach allem, was sie an diesem Tag erlebt
hatte, war sich Lisa nicht sicher, wie sie ihre Situation beurteilen sollte.
    »So, das war's schon«, erklärte Nelling, während er den Faden
vierfach verknotete und den Rest abschnitt. »Wenn alles gutgeht, ist dein Arm
in drei Wochen wieder wie neu. Ein Pflaster noch, und Du kannst dich wieder
anziehen.«
    Während Nelling die zahlreichen Instrumente zusammenpackte und
anschließend seinen Körper hochstemmte, indem er sich umständlich auf dem
Nachtschränkchen abstützte, nahm Lisa ein Pflaster aus seinem Koffer, klebte es
behutsam auf die genähte Wunde und strich die Klebeflächen glatt, was Gromek
mit einem halb komischen, halb leidenden Blick über sich ergehen ließ.
    Lisa schloss den Arztkoffer und reichte ihn Nelling, der sich im
Bad erneut die Hände gewaschen hatte. Trotz ihrer langsam, aber nachhaltig
wiederkehrenden Kopfschmerzen hätte sie sich gern noch für ein oder zwei Stunden
für einen gepflegten Plausch mit ihm zusammengesetzt. Sicherlich wäre der
Oberstleutnant a.D. imstande gewesen, ihr so manches aus Gromeks Vergangenheit
zu berichten, was dieser lieber nicht erzählt gewusst hätte. Doch zu ihrem
Bedauern war dafür keine Zeit.
    »Also, Kinder«, rief Nelling zum Abschied, während er der Zimmertür
zustrebte, ohne etwa einem von ihnen die Hand zu reichen, »ab übermorgen bin
ich für eine Weile nicht zu erreichen. Da fahre ich nämlich in den Urlaub.
Jawohl, ihr habt richtig gehört: Urlaub! Ab jetzt müsst ihr sehen, wie ihr ohne
mich zurechtkommt!«
    »Wird schon werden. Und danke, dass Du gekommen bist«, erwiderte
Gromek zum Abschied und umfasste kurz den Ellenbogen seines Freundes.
    Lisa blieb stumm. Sie folgte den beiden Männern zur Tür. Als
Nelling bereits auf dem Gang stand und sich anschickte, die Tür hinter sich zu
schließen, trafen sich ihre Blicke noch

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