Bücher online kostenlos Kostenlos Online Lesen
Gromek - Die Moral des Toetens

Gromek - Die Moral des Toetens

Titel: Gromek - Die Moral des Toetens Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Michael Lutz
Vom Netzwerk:
Bezirk
Charlottenburg und fuhren Richtung Wedding. Erst als Gromek den Bezirk Tiergarten
durchquerte und an der seit 1943 zerstörten Kaiser-Wilhelm-Gedächtniskirche
vorbeifuhr, die gerade von mehreren Busladungen ausländischer Touristen
belagert wurde, ergab sich wieder ein Gespräch.
    »Sind Sie eng mit dieser Gerda befreundet?«
    »Zur gleichen Zeit, als ihr Mann auf diese schreckliche Weise ums
Leben kam, bestand meine Ehe nur noch aus zwei Unterschriften auf einem Stück
Papier. Das, vermute ich, hat uns irgendwie zusammengebracht.«
    »Für Menschen wie uns gibt es nur zwei Möglichkeiten: Entweder,
wir leben allein - oder wir haben einen Partner aus derselben Branche. Alles
andere kann und wird nicht funktionieren, glauben Sie mir.«
    »Sie scheinen Erfahrung mit Menschen zu haben.«
    »Einen Menschen lernt man erst kennen, wenn man ihn bis an seine
Grenzen führt - und dann noch ein bisschen weiter. Vorher nicht. Aber das
wissen Sie ja selbst. Bestandteil der psychologischen Ausbildung eines jeden
Geheimdienstes.«
    »Waren Sie schon einmal verheiratet?« fragte Lisa und schaute ihn
an. Doch Gromek blieb stumm. Mit konzentriert nach vorn gerichtetem Blick
schleuste er seinen Wagen durch den Verkehr. Lisa nahm an, dass sie die falsche
Frage gestellt hatte. Ohne dass es ihr peinlich gewesen wäre, wechselte sie das
Thema: »Wie geht es ihrem Arm?«
    Das Interesse an seinem Gesundheitszustand tat Gromek gut. Als sei
nichts gewesen, antwortete er knapp: »Danke, es geht.«
     
    In einer heruntergekommenen Gegend im Bezirk Wedding, jenseits von
Einfamilienhäusern, gepflegten Vorgärten und hübschen Kinderspielplätzen, fuhr
Gromek seinen schnittigen BMW auf den mit staubigem Kies belegten Hof
eines Gebrauchtwagenhändlers. Mit einer Selbstverständlichkeit, als hätte er
diese seit langem gepachtet, parkte er in der angeschlossenen Werkstatt.
    Ohne auf Lisa zu achten, stieg er aus dem Wagen und öffnete den
Kofferraum. Auch Lisa trat ins Freie und sah sich um. In dieser Gegend Berlins
war sie, sofern sie sich erinnern konnte, noch nie gewesen. Veraltete
Reklameschilder der nicht mehr existierenden Treibstoffmarke MINOL strahlten in von der Sonne ausgebleichten Farben das Flair vergangener Tage
aus. Sollte dieser Ort jemals gute Zeiten gesehen haben, so waren sie mit
Sicherheit schon seit vielen Jahren vorbei.
    »Darf ich Ihnen das geben?«
    Gromek drückte ihr seinen tragbaren Computer in die Hand und nahm
anschließend zwei handliche Aluminium-Koffer aus dem Kofferraum. Als sie über
den Hof gingen, sahen sie aus wie zwei Reisende, die sich auf einen längst
stillgelegten Vorortbahnhof in einem fernen Entwicklungsland verirrt hatten.
    Etwa 30 Autos standen ohne erkennbares System herum. Die Palette
reichte von der motorlosen, bis auf die letzte Schraube ausgebeinten
Schrottmühle bis hin zum ansehnlich polierten Mittelklassewagen der vorletzten
Generation. Der ganze Fuhrpark war von einem rostigen Maschendrahtzaun umgeben,
der aussah, als müsste man ihn nur einmal streng anschauen, um ihn zum
Zerbröseln zu bringen. Es roch nach Motorenöl und nach Vergangenheit. Von Verkaufsstrategie,
Kundenpsychologie oder gar dem Einmaleins des modernen Marketings schien der
Inhaber dieser traurigen Ruhestätte für Automobile noch nie etwas gehört zu
haben. Jedem unbedarften Passanten hätte sich eigentlich die Frage aufdrängen
müssen, warum dieses Geschäft nicht schon längst zugrunde gegangen war.
    Gromek, von dem äußeren Zustand des Gewerbegrundstückes gänzlich
unbeeindruckt, schaute sich prüfend die einzelnen Gebrauchtwagen an. Schnell
stellte er fest, dass er nur die Wahl zwischen zwei Übeln hatte: einem wenig
vertrauenerweckenden japanischen Sportcoupé ohne Nummernschilder, der in
schlichtem Grau gespritzt und bereits angerostet war, und einer amerikanischen Corvette in Ferrari-Rot, die neben einigen wahllos über das Gelände verteilten Haufen
aus verschiedensten Schrotteilen halb unter mehreren zerschlissenen Planen
versteckt war.
    Gromek entschied sich für die Corvette .
    »Etwas auffällig, finden Sie nicht?« bemerkte Lisa, als Gromek an
der Fahrertür rüttelte.
    »Auffällig ist der Wagen, da haben Sie recht. Aber er ist schnell
und scheint gut in Schuss zu sein - und darauf kommt es mir heute an.«
    »Na, ich weiß nicht. Der Wagen sieht aus, als wäre er zur Fahndung
ausgeschrieben.«
    »Wenn es so wäre, würde er nicht hier herumstehen.«
    Während Lisa und Gromek diskutierten und skeptisch

Weitere Kostenlose Bücher