groß in Form
sich fest und behinderte sie. Doch sie schaffte es. Der Freund unten auf dem festen Boden atmete auf. Sie hatten alle drei während der Rettungsaktion geschwiegen und Marianne machte auch nun nicht viele Worte.
„Seid ein anderes Mal vorsichtiger“, riet sie den beiden und setzte sich wieder in Trab. Sie hatte keine Zeit gehabt, auf die vorbeilaufenden Mädchen zu achten. Sie kümmerte sich auch jetzt nicht darum, wer etwa als Nächste kam. Zwei überholte sie noch. Sie lief und lief ... und kam als Vierte ins Ziel!
Natürlich bemerkte sie das Erstaunen der anderen. Weil aber niemand fragte, hielt sie eine Erklärung nicht für notwendig. Heimlich machte ihr der Gedanke „Wenn ihr wüsstet!“ sogar riesigen Spaß. Sie war fast fröhlich über ihre Niederlage.
Ja, und nun war alles herausgekommen. Wahrscheinlich hatten die Buben ihr Abenteuer erzählt, und die Eltern hatten sich bei der Schule erkundigt, um sich bei der Retterin zu bedanken. So musste es gewesen sein.
„Ein seltsames Mädchen bist du aber schon“, sagte Bobby, als die ganze Klasse nach dem Unterricht Marianne umringte und nach Einzelheiten fragte. „Ich hätte doch erklärt, warum ich nicht eher am Ziel sein konnte.
Marianne lachte – so fröhlich lachte sie, wie sie es schon lange nicht getan hatte. „Warum?“, fragte sie. „Ich war froh, dass ich den Buben heruntergeholt hatte und dass seine Knochen heil geblieben waren. War das nicht wichtiger als ein Sieg?“
Das sagte die ehrgeizige, sportbesessene Marianne!
In Windeseile erfuhr die ganze Schule, warum Marianne bei dem Geländelauf scheinbar versagt hatte. Helma Werner stand vor dem Mittagessen auf und erzählte allen die Geschichte. „So kam es, dass wir ohne Preis nach Hause zurückkehrten“, schloss sie, „und ich finde, wir können auf diese Niederlage mehr stolz sein als über den zweiten Preis, der uns schon so gut wie sicher war. Und nun: Marianne lebe hoch, hoch, hoch!“
Alle riefen es mit, und die Mädchen aus der ersten Klasse, die Hannis Standpauke noch in den Ohren hatten, schrien besonders laut.
Ach, es hätte für Marianne alles so gut sein können, wäre nicht die schreckliche Ester gewesen! Wie konnte sie die bloß loswerden? Einfach sagen: ‚Lass mich in Frieden, ich mag nichts mehr mit dir zu tun haben‛, das wagte sie nicht. Sie hatte oft genug heftig mit ihr auf Mamsell oder auf Mitschülerinnen geschimpft. Das würde Ester ausnützen. Und anders ließ sie sich nicht abhängen ...
Großartig habt ihr das gemacht!
Marianne kriegte wieder Ärger und zwar wieder mit Mamsell. Es war während einer schriftlichen Arbeit. Mamsell diktierte hastig, wie sie es meistens tat. Marianne hatte einen Satz nicht verstanden, weil sie noch schrieb, während die Lehrerin schon weiterdiktierte. Sie wandte sich zu Carla und fragte: „Was hat sie gesagt?“
Mamsell sah es und sauste zu Marianne hin. „Du willst abschreiben, willst betrügen, du böses Mädchen. Aber ich habe dich ertappt.“
„Nein, Mamsell, ich habe den Satz einfach nicht verstanden. Bitte sagen Sie ihn mir noch einmal.“
Doch Mamsell glaubte ihr nicht. „Mit eigenen Augen habe ich gesehen, wie du abschreiben wolltest. Klapp dein Heft zu. Ich will deine Arbeit nicht zensieren – oder nur mit einer Sechs.“
„Aber bitte glauben Sie mir doch. Ich habe Carla wirklich nur wegen des einen Satzes gefragt.“
Carla nickte. „Wirklich, das hat sie. Marianne kann Französisch viel besser als ich. Warum sollte sie abschreiben?“
Die Lehrerin war nicht zu überzeugen. Sie nahm Marianne das Heft weg, strich durch, was sie geschrieben hatte, und sagte zu der Klasse: „Das Diktat ist zu Ende.“
Die Mädchen waren sicher, dass Marianne die Wahrheit sagte. Hilda ging nach der Stunde noch einmal zu Mamsell und versuchte mit ihr zu reden. Aber es war sinnlos. „Ich habe es gesehen“, dabei blieb es.
Marianne kochte vor Wut. Es war haarsträubend ungerecht. Ihr alter Groll gegen die Französischlehrerin flackerte neu auf. Und Esters Sticheleien fielen bei ihr wieder auf fruchtbaren Boden. Mamsell steckte mit der ersten Klasse unter einer Decke? So – was mochte da vorgehen? Sie fing an, die Kleinen zu belauern und Mamsell obendrein.
„Jetzt schleppt sie schon Sachen weg, die dem Internat gehören“, behauptete Ester.
Das glaubte Marianne freilich nicht, immerhin: Sie wollte die Augen offen halten. Nun war es nicht mehr der Wunsch, sich und Frau Theobald zu beweisen, wie tüchtig sie war –
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