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Grosse Geschichten vom kleinen Volk - Ba

Grosse Geschichten vom kleinen Volk - Ba

Titel: Grosse Geschichten vom kleinen Volk - Ba Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Christoph Hardebusch
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Weide erreichte …« Abermals stockte er, und Rima bemerkte einen verräterischen Glanz in seinem Blick. Sie wusste, dass Berrus seine Tiere geliebt, jedes einzelne beim Namen gekannt hatte. Als er sich nun mit dem Ärmel über die Augen fuhr, als wäre ein Samenkorn hineingeraten, senkte sich bedrückte Stille über die Köpfe. »Sie waren tot«, fuhr er fort. »Ihre Körper waren bis aufs Fleisch verbrannt und teilweise zerrissen, und ihre Augen …« Er fuhr sich erneut durch die Haare. »Ich habe schon häufig Schafe durch Wölfe verloren, ab und an auch durch einen Bären. Aber das … das war etwas anderes.«
    Ein Raunen ging durch die Menge, und erstmals, seit sie an dem großen Tisch Platz genommen hatte, hörte Rima etwas wie Unruhe in den Stimmen der Halblinge mitschwingen. Es fiel ihr schwer, die Bilder der blutigen Schafsleiber aus ihren Gedanken zu vertreiben. Noch immer nahm sie den Gestank wahr, fühlte das Blut an ihren Fingern und hörte die Fliegen, die bereits über das aufgebrochene Fleisch herfielen. Arok jedoch saß da wie ein Fels, und obwohl Mitgefühl in seinen braunen Augen lag, entdeckte Rima keinen Anflug von Beunruhigung darin. »Hast du sonst noch etwas bemerkt?«, fragte er Berrus, der jetzt aufschaute, als hätte Aroks Stimme ihn aus dunklen Träumen geweckt. Er schüttelte den Kopf, doch da schien ihm etwas einzufallen. Ein Flackern ging durch seinen Blick wie eine plötzliche Erinnerung. Er hob bereits abwehrend die Hand, als wollte er seine Worte abtun, gleichzeitig jedoch begann er zu sprechen, fast wie gegen seinen Willen.
    »Ich bin mir nicht sicher«, sagte er. »Zuerst war es nur ein Geräusch … etwas wie das ledrige Rauschen von Fledermausschwingen. Aber dann habe ich es gefühlt.«
    Er hielt inne. Offensichtlich erinnerte er sich lebhaft an das Ereignis, denn er zog schaudernd die Schultern hoch und sprach nicht weiter.
    »Was hast du gefühlt?«, grollte Arok unwirsch. Geduld hatte noch nie zu seinen herausragenden Eigenschaften gehört.
    Berrus sah auf – langsam, als müsste er sich erst von dem Bild seiner Erinnerung lösen, das für ihn auf der Tischplatte entstanden war. Leise erklang seine Stimme, als er fortfuhr, so leise, dass die Ältesten sich vorbeugten und die Halblinge auf dem Platz den Atem anhielten. »Den Schatten«, raunte Berrus kaum hörbar. »Ich habe den Schatten gefühlt. Er ist über mich hinweggeglitten, größer als ein Ochse, sogar größer als mein … mein verdammtes Haus! Eiskalt war es darunter, und es wurde so dunkel, dass ich mich selbst nicht mehr sehen konnte.«
    Arok neigte leicht den Kopf, was seinem Blick etwas Stechendes verlieh. »Weißt du, was das für ein Schatten war?«, fragte er, als müsste er gezwungenermaßen den hanebüchenen Märchen eines Kindes zuhören.
    Doch Berrus schien den Ausdruck der Züge des Dorfvorstehers nicht zu bemerken. »Nein«, erwiderte er. »Aber als ich zum Himmel hochsah, da war es, als fiele ich in einen tiefen Brunnen. Ich verlor das Gleichgewicht, der Schatten verschwand. Kaum fühlte ich ihn nicht mehr auf mir, war das Licht meiner Fackeln wie die Glut der Sonne. Noch nie zuvor in meinem Leben ist mir so kalt gewesen.«
    Rima zog die Schultern an. Sie erinnerte sich gut an die Kälte, die im Wald nach ihr gegriffen hatte, und sie musste all ihre Kraft aufbringen, um der Furcht in ihrem Nacken nicht die Oberhand zu überlassen.
    »Wohin ist er verschwunden?«, fragte Arok ruhig.
    Berrus warf Rima einen kurzen Blick zu. »In Richtung des Nachtwaldes«, flüsterte er.
    Arok schwieg für einen Moment. Dann nickte er den Ältesten zu, und es schien, als unterhielten sie sich in Gedanken. Schließlich wandte er sich an Rima. »Du warst vergangene Nacht verbotenerweise auf der Klippe«, stellte er unumwunden fest, und Rima erkannte an der Art, wie sich das Braun seiner Augen dunkler färbte, dass dieser Umstand noch ein Nachspiel für sie haben würde. »Auf dem Rückweg bist du durch den Nachtwald gegangen. Hast du dort Dinge erlebt, die uns in dieser Sache dienlich sein können?«
    Mit einem Schlag wurde Rimas Mund trocken wie Sandstaub. Sie schaute zu ihrem Onkel hinüber, der kerzengerade in der Menge saß und ihr zunickte, und sie fühlte die auf sie gerichteten, prüfenden Blicke der Ältesten. Kurz wollte sie den Kopf schütteln, wollte die Bilder in sich zurückdrängen und sie mit einer einfachen Formel zu Asche verbrennen – weil sie nicht wahr sein konnten. Doch sie tat es nicht. Stattdessen

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