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Große Geschichten vom kleinen Volk - Band 2 (German Edition)

Große Geschichten vom kleinen Volk - Band 2 (German Edition)

Titel: Große Geschichten vom kleinen Volk - Band 2 (German Edition) Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Bernd Frenz
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wir nicht sicher. Aber wir werden heute aus dem Wald herauskommen.«
    »Und dann?«, murrte Otli. »Dann stehen wir wahrscheinlich wieder auf einer kargen Öde ganz ohne Deckung, und diese Finsterlinge werden uns suchen nach dem Signalfeuer, das wir ihnen mitten im Wald gesetzt haben.«
    Wir aßen ein wenig von unserem Reisebrot und brachen auf.
    Bald kam uns Maneas entgegen, der gekundschaftet hatte. Er wirkte wie immer auf uns, düster und schweigsam, aber Laetas sprach seinen blonden Gefährten sogleich an: »Was ist mit dir, Bruder?«
    »Der Weg vor uns ist frei – aber hinter uns ist etwas.« Maneas sah über die Gruppe hinweg.
    »Derselbe Verfolger, den du vor zwei Tagen erwähnt hast?«, fragte Gulbert.
    Maneas runzelte die Stirn. »Er ist viel näher, als er sein sollte. Ich werde mich darum kümmern.«
    Er nahm den Bogen dichter an den Leib und wollte an uns vorbeigehen. Laetas hielt ihn an der Schulter zurück. »Ich bin an der Reihe.«
    »Das ist nicht der übliche Kundschaftergang«, wandte Maneas ein. Aber sein dunkelhaariger Gefährte war schon an ihm vorbeigehuscht und ließ ihn stehen. Maneas sah ihm nach, während Laetas dem Pfad folgte, auf dem wir gekommen waren. Als er fort war, verharrten wir unentschlossen.
    »Wollen wir nicht weitergehen?«, fragte Malangar. »Der Weg vor uns ist ja bereits erkundet.«
    Maneas schüttelte stumm den Kopf. Er lauschte in den Wald. Gulbert stand angespannt da und umklammerte seinen Stab so fest, dass seine Fingerknöchel weiß wurden. Wir vom kurzbeinigen Volk ließen uns schließlich ächzend nieder und genossen die unerwartete Rast.
    Es dauerte eine Stunde, bis Laetas zurückkehrte.
    »Und, Bruder?«, fragte Maneas ihn.
    Laetas schüttelte den Kopf.
    Maneas sah ihn erwartungsvoll an, aber Laetas hob nur die Arme. Da ist nichts. Was soll ich sagen? , sollte es wohl bedeuten.
    »Ist unser Verfolger fort?«, fragte Gulbert. »Ob es nun der alte ist oder ein anderer. Hat er unsere Spur verloren?«
    Maneas spürte angestrengt in den Wald. »Ich weiß es nicht«, sagte er und klang unsicher dabei. »Im Moment nehme ich gar nichts wahr außer uns. Aber das muss nichts bedeuten. Ich habe die Gegenwart unseres Verfolgers nie ständig gespürt. Nur dann und wann …«
    Das war eine richtige Rede für seine Verhältnisse. Malangar beugte sich zu mir und flüsterte: »Vielleicht hat er von Anfang an Gespenster gesehen.«
    Gulbert stieß seinen Stab auf den Boden. »Was auch immer das heißen mag – gehen wir weiter. Abstand zu gewinnen ist das Beste, was wir tun können. Und so schnell wie möglich unser Ziel erreichen ist das, was wir tun müssen!«

Verrat an der Sternenklippe
    Vom Rest unserer Wanderung weiß ich wenig Bemerkenswertes zu berichten. Wir kamen aus dem Dornenwald heraus, ohne noch einem Feind zu begegnen. Irgendwann nahm Maneas wieder unseren Verfolger wahr, so weit hinter uns, wie die Sinne des Elfen reichten. Das beruhigte uns sogar. Wir glaubten, damit jenen Augenblick im Morgengrauen vergessen zu können, wo der Verfolger uns scheinbar so nahe gekommen war – denn wenn Maneas ihn nun wieder in der Ferne spürte, war das nicht Beweis genug, dass wir die Bedrohung erst einmal abgehängt hatten?
    Wir hätten falscher nicht liegen können, aber für den Augenblick schritten wir befreiter aus und genossen den freien Himmel über uns. Wir wanderten durch Teersümpfe, in denen Ranken mit Blütenmäulern nach uns schnappten; wir schritten über steinige Öden, wo die Felsen Beine bekamen und Jagd auf uns machten – wir ließen sie nicht nahe genug an uns heran, um mehr über diese Geschöpfe zu erfahren. Wir bahnten uns unseren Weg durch Felder von Pflanzen mit riesigen fleischigen Blättern, die sechs Schritte durchmaßen, flach auf dem Boden lagen und vollkommen schwarz waren. Aus ihrer Mitte spross eine einzige blaue Frucht, aber die Elfen verhinderten, dass einer von uns näher an sie herantrat. Wir wichen Goblinpatrouillen aus und wurden den ganzen Weg über von Mücken gepiesackt, von Stechfliegen und Skorpionen und von Schlangen.
    Eines Tages erhob sich weit vor uns ein finsterer Bergkegel aus einer Landschaft, in der sich zwischen vereinzelten zerklüfteten Felsrücken sumpfige Niederungen erstreckten. Dunkel dräuende Wolken lagen über den Anhöhen, Blitze zuckten in den Wolkentürmen, und schwere Regengüsse tränkten das Land.
    »Die Sternenklippe.« Gulbert wies auf den Berg in der Ferne. »So heißt dieser Berg bei den wenigen, die von ihm

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