Große Liebe Desiree
seinen Mund, es war der süßeste Kuß, den er je bekommen hatte. Nie wieder würde er sie von seiner Seite lassen.
»Um Himmels willen, Herendon, spar dir das auf für später«, forderte Jeremiah. »Ins Boot mit euch beiden. Schnell!«
Als sie losliefen, explodierte das Oberlicht über den Kajüten, und Glassplitter prasselten auf das Deck. Die Flammen schlugen höher, erfaßten die Taue und fraßen sich unerbittlich bis zu den Segeln empor.
Jack und Jeremiah waren schon dabei, vorsichtig an der
Schiffswand hinabzusteigen. Désirée, die es ihnen eben nachtun wollte, kletterte noch einmal zurück an Deck und verschwand in den Rauchwolken.
»Désirée!« schrie Jack panikerfüllt. Eilig stieg er wieder nach oben, so schnell der beißende Rauch es zuließ.
Plötzlich, so plötzlich, wie sie verschwunden war, tauchte Désirée wieder auf. Hustend und weinend kletterte sie über die Reling, an die Brust gepreßt hielt sie, zu einem Bündel zusammengerollt, die französische Flagge.
»Spring, Désirée!« rief Jeremiah von unten aus dem bereitstehenden Boot, das in dem dichten Qualm kaum zu sehen war. »Na los!«
»Beeil dich, Liebling!« keuchte Jack. Das Holz unter ihm wurde warm, es war keine Zeit mehr, sie nach unten zu tragen. »Spring!«
Sie warf die Flagge ins Boot und faßte die Röcke mit einer Hand zusammen. Warum nur war sie wegen der dummen Flagge zurückgelaufen? Aus dieser Höhe ins Wasser zu springen war schlimmer als das Feuer. Sie hustete und sah noch einmal in Jacks Gesicht.
Dann, mit einem ohrenbetäubenden Donner, hatten die hungrigen Flammen endlich das Pulvermagazin erreicht. Und Désirée sprang.
20. KAPITEL
Wieder stand Désirée auf dem Geländer der Weybosset Bridge und balancierte mit aus gestreckten Armen. Doch diesmal war der Himmel über ihr schwarz, und der Fluß war ein rotes Flammenmeer. Ihre Lungen schmerzten von dem Rauch, und ihre Augen tränten und brannten. Sie hustete und hätte beinahe das Gleichgewicht verloren, konnte sich aber gerade noch fangen. Diesmal würde sie nicht fallen. Selbst die Flammen waren besser als die endlose, kalte Dunkelheit, an die sie sich noch vom letzten Mal erinnerte.
»Du hättest springen sollen, als ich es dir sagte, Désirée«, sagte Jeremiah streng. Sie wandte sich um und sah, daß er hinter ihr stand, die Brauen über den grünen Augen zusammengezogen. »Was bist du für eine Kapitänstochter, daß du nicht weißt, wie man Befehle befolgt?«
»Aber warum die Flagge, Liebste?« fragte Jack sorgenvoll. Er stand vor ihr in seiner weißgoldenen Uniform und wartete auf sie. Dabei sah er sie so traurig an, daß sie sich danach sehnte, ihn zu trösten. Mit ausgestreckter Hand ging sie auf ihn zu, ohne die Flammen zu beachten.
»Ich wollte die Flagge Großmama zeigen«, erklärte sie, als sie näher kam. »Es war dumm, das weiß ich jetzt, aber du hattest den Degen, und ich wollte die Flagge. «
»Ich bringe dir hundert Flaggen, wenn du willst«, versprach er mit so ernster Miene, daß sie gelacht hätte, wenn ihre Brust nicht so sehr vom Qualm geschmerzt hätte.
»Das mußt du nicht«, flüsterte sie heiser, als sie ihn am Ende der Brücke erreicht hatte. »Ich liebe dich auch ohne sie.«
»Es geht ihr besser, Kapitän Herendon«, sagte der Arzt und zog die Bettecke höher über Désirées Brust. »Wenn sie sich wieder so an Sie erinnert, dann, denke ich, gibt es nichts, was man mit Schlaf und Ruhe nicht kurieren kann. Wahrscheinlich hat sie sich den Kopf an einem Wrackteil angeschlagen, das ist alles. Sie hatte Glück, daß sie ins Wasser fiel. Wenn sie Brandwunden davongetragen hätte, wäre es etwas anderes.«
»So ein dummes Ding«, grollte Jeremiah. »Wollte irgend etwas damit beweisen. Was soll unsere Großmutter wohl mit einer französischen Flagge?«
Jack antwortete nicht. Sie war bleich und verletzt und viel zu dünn, aber sie war in Sicherheit, und das genügte.
Und sie liebte ihn. O ja, und das war mehr als genug.
Désirée und Jack heirateten endlich an einem strahlenden Morgen im Monat Mai unter einem Baldachin aus Segeltuch auf dem Achterdeck von Lord Howes Flaggschiff. Viele Offiziere der Flotte waren dabei und die meisten von der Aurora. Es war, befand Désirée, ganz einfach die atemberaubendste Hochzeit, die sie jemals gesehen hatte, obwohl es ihre eigene war. Der Himmel war wolkenlos, das Sonnenlicht glitzerte auf den Wellen auf auf den Epauletten der anwesenden Offiziere, und es gab gerade soviel Wind, wie nötig
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