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Große Tiere: Roman (German Edition)

Große Tiere: Roman (German Edition)

Titel: Große Tiere: Roman (German Edition) Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Carl Hiaasen
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den Bordstein hinunter und näherte sich dem Seminolenwagen. Die hübsche junge Sängerin war inzwischen hinuntergeklettert und zog sich gerade eine Jacke der Miami Dolphins über ihr knappes Oberteil.
    Pedro Luz stellte sich vor und sagte: »Ich habe Sie schon mal hier gesehen, nicht wahr?«
    »Das ist durchaus möglich«, sagte Carrie Lanier, die ihn sofort als den Kerl erkannte, der auf ihren Wohnwagen geschossen hatte, den Burschen, dem sie mit dem Wagen über den Fuß gefahren war. Sie erblickte den mit einem Verband versehenen Beinstumpf und hatte plötzlich ein bohrendes Schuldgefühl. Es ging schnell vorbei.
    »Sie singen sehr schön«, sagte Pedro Luz, »aber obenrum würden Ihnen ein paar Zentimeter mehr guttun. Wenn Sie wissen, was ich meine.«
    »Vielen Dank für den Tip.«
    »Ich kenne einen Arzt, der auf so was spezialisiert ist. Vielleicht kann ich für Sie einen Sonderpreis aushandeln.«
    »Eigentlich«, sagte Carrie und legte eine Hand auf ihre Brust, »mag ich meine kleinen Kameraden genau so wie sie sind.«
    »Wie Sie wollen.« Pedro Luz kratzte sich heftig an einer wunden Stelle seines Schädels. »Ich versuche mich zu erinnern, wo ich Sie schon mal gesehen habe. Würden Sie mal für einen Moment Ihre Perücke abnehmen?«
    Carrie Lanier preßte die Hände auf die Augen und begann zu weinen – ein klagendes, heftiges Schluchzen, das Touristen und andere Darsteller des Umzugs auf sie aufmerksam machte.
    Pedro Luz sagte: »Hey, was ist denn los?«
    »Es ist keine Perücke!« jammerte Carrie Lanier. »Das sind meine echten Haare.« Sie wandte sich um und stolperte eine Treppe in die Katakomben hinunter.
    »Gott, tut mir leid«, sagte Pedro Luz ins Leere. Etwas aus dem Konzept gebracht fuhr er schnellstens zum Sicherheitsbüro. Als er die klimatisierte Abgeschiedenheit des Geräteraums erreichte, knallte er die Tür hinter sich zu und schob den Riegel vor. In der Finsternis tastete Pedro Luz nach der Schnur, mit der sich die kahle Glühbirne an der Decke anknipsen ließ; er fand sie und zog heftig daran.
    Das weiße Licht enthüllte eine schockierende Szene. Jemand war in Pedros Heiligtum eingedrungen und hatte sein raffiniertes Überlebenssystem zerstört. Eine Schneiderschere hatte den Injektionsschlauch in wertlose, zentimeterlange Stücke zerschnippelt, die verstreut auf dem Fußboden lagen. Dieselbe Person hatte jeden noch ungeleerten Tropfbeutel aufgeschlitzt; der Rollstuhl stand regelrecht in einem Tümpel Traubenzuckerlösung.
    Aber das bei weitem Schlimmste, das Pedro Luz erwartete, war der trostlose Anblick von braunen Tablettenflaschen, etwa ein halbes Dutzend, offen und leer auf dem Fußboden. Wer immer es gewesen war, hatte Pedros anabole Steroide in der Toilette weggespült. Der Porzellantiegel, in dem er so liebevoll seine Winstrolpillen zerkleinert hatte, lag in Scherben neben dem Klosettbecken.
    Und auf der Wand prangte eine Botschaft in korallenroten Lippenstiftlettern. Pedro Luz stöhnte und schob den Rollstuhl zurück, damit er die Worte leichter lesen konnte. Rasende Wut wühlte in seiner Brust, und er fing an, Gegenstände aus den Regalen herauszureißen und gegen die Mauer zu schleudern: Schlagstöcke, Gasmasken, Taschenlampen, Handschellen, Sprühdosen mit Tränengas, Pistolengriffschalen, Patronenschachteln.
    Erst als es nichts mehr zu werfen gab, hielt Pedro Luz inne, um erneut die Worte an der Wand zu lesen. In geschwungener, eleganter Handschrift stand dort:
    Guten Morgen, Wichser!
Nimm zur Kenntnis, daß ich noch nicht tot bin!
Einen schönen Tag noch, und denk an deine Pillen!
    Unterschrieben war die Nachricht mit »Herzlichst, J. Winder.«
    Pedro Luz gab ein raubtierhaftes Gebrüll von sich und fuhr direkt zum Fitneßraum der leitenden Angestellten, wo er die nächsten zwei Stunden allein auf der Drückbank verbrachte, gegen seine Dämonen kämpfte und darum betete, daß seine Hoden wieder zur alten Größe anwuchsen.

30
    Irgendwie sammelte Charles Chelsea die kreative Energie, die zum Lügen notwendig war:
    Die lebende Golflegende Jake Harp wurde am Donnerstag während der Grundsteinlegung für das neue Falcon-Trace-Golf-und-Country-Club-Resort von einer Gewehrkugel getroffen.
    Zu dem Vorfall kam es, als Mr. Harp gerade im Begriff war, einen Ball von der Stelle abzuschlagen, an der das erste Tee des 6270 Meter langen Meisterschaftsgolfkurses entstehen soll, den Mr. Harp selbst entworfen hat. Der Golfspieler wurde offensichtlich von einer verirrten Kugel eines bisher

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