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Große Tiere: Roman (German Edition)

Große Tiere: Roman (German Edition)

Titel: Große Tiere: Roman (German Edition) Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Carl Hiaasen
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faszinierenderen Theorie führt: nämlich daß männliche Delphine in Gefangenschaft diese ungewöhnlichen Affären aus Boshaftigkeit oder aus Rache suchen. Die Wahrheit liegt tief im ausgedehnten und komplizierten Großhirn des Delphins verborgen, doch das Phänomen als solches wurde vielfach beobachtet und beschrieben.
    Am Abend des 6. August befand Dickie sich in einem hochgradigen Erregungszustand, als er im dunklen Walbecken des Wunderlands seine Kreise zog. Vielleicht war es der Lärm des in der Nähe abgebrannten Feuerwerks, das den Frieden der mächtigen Kreatur störte, vielleicht war es auch eine Folge seiner langen und einsamen Gefangenschaft. Obgleich die abgerichteten Seehunde und Pelikane zuweilen recht unterhaltsam waren, hätte Dickie der Delphin sicherlich die Gesellschaft eines weiblichen Partners vorgezogen. Und die hätte er auch gehabt, wäre Francis X. Kingsbury nicht so geizig gewesen. Auf jeden Fall beobachtete der einsame Delphin aufmerksam und voller Erwartung das Geschehen, das über ihm auf dem Laufgang stattfand.
    Beim ersten Platschen schickte Dickie schnell seine Sonarsignale aus und verfolgte ein kleines stählernes Objekt bis auf den Grund des Beckens. Er zog gar nicht erst in Erwägung, das Ding nach oben zu holen, da er für diese Mühe keine Belohnung erwarten konnte – die Eimer voll zerkleinerter Fische waren schon vor Stunden weggeschlossen worden. Daher achtete der Delphin nicht weiter auf Pedro Luz’ Pistole, sondern stieg langsam zur Oberfläche hoch und wartete.
    Das zweite Platschen klang völlig anders.
    Pedro Luz staunte über die Kraft des einäugigen Mannes. Er schluckte die Treffer besser als jeder andere, den Pedro Luz jemals angegriffen hatte, und er war schnell. Jedesmal, wenn Pedro Luz ausholte und danebenschlug, traf der bärtige Fremde ihn zwei- oder dreimal in den Leib. Es fing an, richtig weh zu tun.
    Nachdem er seine eigene Pistole verloren hatte, versuchte Pedro Luz an Joe Winders Waffe heranzukommen, die in seiner Hosentasche steckte. Jeder Versuch brachte ihm einen Hagel von Schlägen von dem einäugigen Penner ein, daher verwarf Pedro Luz diesen Plan. Mit einem von einem Schrei begleiteten Angriff gelang es ihm, den Fremden zu packen und ihn dicht zu sich heranzuziehen. Pedro Luz zog Drücken dem Boxen vor und vertraute darauf, den Kampf mit einer kraftvollen Umarmung beenden zu können. In diesem Moment packte jemand Pedro Luz’ Haare von hinten und riß seinen Kopf so heftig zurück, daß sein Nacken ein knackendes Geräusch machte. Das nächste, was er mitbekam, war, wie er ohne Hose im warmen Wasser um sich schlug. Über ihm standen Joe Winder und der Fremde und blickten über das Geländer zu ihm herunter.
    Schwimmen ist eine Tätigkeit, die eher auf Technik als auf Kraft beruht, und Pedro Luz war unübersehbar ein schlechter Schwimmer. Das Pochen in seinem amputierten Bein fügte Schmerz seiner Unfähigkeit hinzu, während er in dem Becken umherpaddelte und nach einer Leiter suchte. Als der massige Delphin in der Dunkelheit neben ihm auftauchte, fluchte Pedro Luz und schlug mit den Armen heftig aufs Wasser. Er hatte nicht die geringste Angst vor einem dämlichen Fisch; vielleicht ließ er sich auch durch das freundliche Lächeln des Delphins oder durch seine Erinnerung an die Fernsehserie »Flipper« täuschen. Auf jeden Fall schlug Pedro Luz nach dem Lebewesen in der fälschlichen Annahme, daß er es verletzen konnte und daß es zu zahm und zu gutmütig war, um sich zu revanchieren. Pedros drogenumwabertes Gehirn merkte nicht, daß der Delphin körperlich weitaus besser in Schuß war als er selbst und außerdem rund fünfhundert Pfund größer und schwerer. Als das Tier ihn spielerisch mit seinem Maul anstieß, ballte Pedro Luz die Fäuste und hieb auf die glatte graue Flanke ein.
    »Vorsicht!« warnte Joe Winder vom Laufgang, doch Pedro Luz achtete nicht darauf. Der verdammte Fisch wollte nicht verschwinden! Indem er seine Brustflossen fast wie Arme gebrauchte, hielt er Pedro Luz mit einem sanften, aber sicheren Griff fest.
    Wild fluchend, trat er wütend nach dem Delphin und versuchte, sich zu befreien. Während er schwerfällig zum Rand des Beckens schwamm, sah er die lange, glatte Gestalt unter sich auftauchen. Eine Flosse fand Pedro Luz’ Achselhöhle und drehte ihn rauh um. Er kam würgend hoch, doch die Kreatur zog ihn wieder nach unten. Erneut kämpfte Pedro Luz sich nach oben, und diesmal wurde Dickie der Delphin etwas böse – er biß

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