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Große und kleine Welt (German Edition)

Große und kleine Welt (German Edition)

Titel: Große und kleine Welt (German Edition) Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Honoré de Balzac
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ihrer Tochter herumwerkelte.
    "So—halte Dich an diese Angaben," sagte Bridau, als er die Palette gegen das Schreiben eintauschte. "Ich danke Dir nicht weiter! Nun kann ich doch nach Chateau d'Arthey zurueckkehren, wo ich einen Speisesaal auszufuehren habe; Leon de Lora macht die Tuerfuellungen. Wahre Meisterwerke! Du solltest uns einmal besuchen!" Er ging ohne Gruss; er hatte von dem Anblick Virginies genug bekommen.
    "Wer ist denn dieser Mensch?" fragte Madame Vervelle.—"Ein grosser
Kuenstler," antwortete Grassou. Nach einer Minute des Schweigens fragte
Virginie: "Sind Sie auch sicher, dass er an meinem Bilde nichts
verdorben hat? Er hat mich erschreckt!"
    "Er hat es verbessert," antwortete Grassou.—"Wenn dieser ein grosser Kuenstler ist," sagte Madame Vervelle, "so muss ich doch sagen, dass ich die grossen Kuenstler Ihrer Art vorziehe."—"Aber Mama, Herr Grassou ist doch ein viel groesserer Maler; er malt mich in ganzer Figur," plapperte Virginie. Diese braven Leute fuehlten sich durch die Allueren des Genies vor den Kopf gestossen.—
    Es war im Spaetsommer, als Vervelle sich ein Herz fasste und den Maler zum naechsten Sonntag auf sein Landhaus einlud. "Ich weiss ja," sagte er bescheiden, "dass wir Buergersleute einem Kuenstler nicht viel Anziehendes bieten koennen. Die Kuenstler brauchen Anregung, Schaugepraenge und eine Umgebung geistvoller Personen. Bei mir werden Sie nichts finden als einen guten Wein; ich hoffe aber auch, dass meine Gemaeldegalerie Ihnen hilft, die Langeweile zu verscheuchen, die einen Kuenstler wie Sie unter so einfachen Leuten befallen koennte."
    Es entzueckte den armen Pierre Grassou, der so wenig an Lobeserhebungen gewoehnt war, sich so gefeiert zu sehen. Dieser guetige Mensch, dieser kaum mittelmaessige Kuenstler, dies goldene Herz, diese treue Seele, dieser miserable Zeichner und brave Junge, den der koenigliche Orden der Ehrenlegion zierte, warf sich in Gala, um die letzten schoenen Tage des Jahres in Ville d'Avray zu geniessen. Er fuhr bescheiden im Omnibus. Das Schloesschen des ehemaligen Flaschenhaendlers, das auf der Hoehe von Ville d'Avray, dem schoensten Punkt der Ortschaft, mitten in einem fuenf Morgen grossen Park lag, erregte Grassous hoechste Bewunderung. Virginie heiraten, hiess also, eines Tages Besitzer dieser schoenen Villa werden!
    Von den Vervelles wurde er mit so begeisterter Freude, Liebenswuerdigkeit und ungeschickter Herzlichkeit aufgenommen, dass er sich beschaemt fuehlte. Es war ein Tag des Triumphes fuer ihn. In den zu Ehren des hohen Besuches sorgfaeltig geharkten Wegen fuehrte man seine Zukunftsplaene spazieren.
    Sogar die Baeume sahen aus, als ob sie gekaemmt worden waeren. Die Rasenplaetze waren frisch gemaeht. Durch die reine Landluft schwebten verheissungsvoll wunderbare Kuechengerueche herueber. Alles im Hause schien sich zuzufluestern: "Wir haben einen grossen Kuenstler zu Gast!" Papa Vervelle kugelte wie ein Apfel durch seinen Park, die Tochter schlaengelte sich wie ein Aal daher, und die Mutter folgte mit wichtigtuerischer Miene hinterdrein.
    Unermuedlich beschaeftigten die drei Leute sich ohne Unterbrechung sieben Stunden lang um ihren Gast. Auf das Diner, das sich in seiner koestlichen Reichhaltigkeit sehr in die Laenge zog, folgte der grosse Coup des Tages, die Besichtigung der Galerie. Drei Nachbarn, ehemalige Kaufleute, ein Erbonkel, den man zu Ehren des grossen Kuenstlers eingeladen hatte, ein altes Fraeulein Vervelle und die Gastgeber selbst folgten dem Maler in die Galerie. Sie waren alle begierig, sein Urteil ueber die beruehmte Sammlung des kleinen Papa Vervelle zu hoeren und ueber den fabelhaften Wert der Bilder Gewissheit zu erlangen. Es schien, dass der Flaschenhaendler mit Koenig Louis Philipp und den Galerien von Versailles hatte wetteifern wollen. An den kostbaren Rahmen waren kleine Taefelchen angebracht, die auf goldenem Grund schwarze Aufschriften trugen. Sie lauteten: "Rubens, Tanz der Faune und Nymphen."—"Rembrandt, Inneres eines Anatomiesaales.—Dr. Tromp mit seinen Schuelern." Die Galerie wurde durch Lampen erhellt, die besondere Beleuchtungseffekte erzielen sollten. Sie enthielt hundertfuenfzig alte, verstaubte Gemaelde. Vor einigen hingen gruene Vorhaenge, die man in Gegenwart der jungen Leute geschlossen liess. Der Kuenstler stand da, die Arme verschraenkt und mit offenem Munde; er war sprachlos: in dieser Galerie fand er die Haelfte seiner eigenen Bilder wieder. Rubens, Paul Potter, Mieris, Gerard Dou,—zwanzig der

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