Grosser Auftritt fuer Sally
Teichmüller legte die gebrauchte Spritze in das Abfallfach der grauen Tasche. »Wahrscheinlich sind die Bakterien an den Einstichstellen unter die Haut gelangt.« Er gab Conny eine Salbe und warf über den Rand seiner Brille einen Blick auf die Packung. »Jeden Tag die Stiche damit einreiben. Wundere dich nicht, dass auf der Tube >für Kühe< steht - die Salbe hilft auch bei Pferden.« Die nächsten Tage sollte Rocky nur stramm in der Box stehen. Keine Bewegung. Aber der Traber würde sowieso keinen Schritt gehen wollen, meinte Theo, mit dem dicken Bein.
»Haben Sie nicht eine XXL-Spritze für kaputte Kutschenbeine?« Jule konnte schon wieder scherzen, nachdem Rockys Lahmheit sich nicht als lebensgefährlich herausgestellt hatte.
»Für das Hinterrad?«, fragte Dr. Teichmüller und sah stirnrunzelnd auf den Pferdewagen, der mit Steinen vor dem Umkippen gesichert war. Kai Jensen hatte ihm zwar von dem Werbefilm erzählt - aber nicht, dass hier so ein Chaos herrschte.
Wie groß das Durcheinander wirklich war, konnte ihm der Stallbesitzer kurz darauf ausführlich schildern. Kai Jensen kam nämlich voller Unruhe mit Luisa und Aufnahmeleiter Kampmann vom Museum zurück. Er hatte den Tierarztwagen auf dem Hof gesehen und gleich geschaltet, dass auf der Wiese etwas passiert sein musste. Herr Jensen lobte Conny und die anderen Mädchen, weil sie das Bein sofort gekühlt hatten. Conny sollte Rocky jetzt zurück in den Stall bringen. Ganz langsam, Schritt für Schritt, mit Pausen, wenn Rocky nicht weiterkonnte.
Obwohl der Reiterhof nur wenige Minuten von der Waldkoppel entfernt lag, brauchte Conny diesmal fast eine Viertelstunde, bis sie mit dem stark lahmenden Pferd die Stallgasse erreichte. Rocky drehte sich in der Box sofort zur Wand und zog das rechte Hinterbein an. Mit gesenktem Kopf stand er da wie ein Häufchen Elend. Als Conny zu ihm in die Box schlüpfte und seine Mähne kraulte, drehte er den
Kopf zur Seite. Die bloße Berührung schien ihm schon zu viel zu sein.
Auf Zehenspitzen schlich Conny wieder hinaus. Sorgenvoll beobachtete sie ihren Liebling. Einige erwachsene Reiter blieben vor Rockys Box stehen. »Was hat er denn?«, wollte Fritz Voß wissen, einer der wenigen netten Erwachsenen und ein Fan von King Louis. »Einschuss«, murmelte Conny abwesend. Dann erinnerte sie sich daran, dass der alte Herdenchef die gleiche Krankheit gehabt hatte. »Wie lange hat es denn bei King Louis gedauert?«, fragte sie Fritz Voß.
Er überlegte kurz. »Also, am ersten Tag war es ganz schlimm. Da wollte er nichts sehen, nichts hören, nichts fressen. Am nächsten Morgen hat er schon wieder hungrig aus der Box geguckt.« Fritz Voß zog Conny auf munternd an einem Zipfel ihrer Jutefetzen. »Einmal darüber schlafen, und morgen früh begrüßt dich Rocky wie immer. In zwei Wochen ist alles vergessen.«
Einmal darüber schlafen! Siedend heiß fiel Conny ein, dass sie ja heute im Bauwagen übernachten wollte. Bei den Kranichen. Mit Daniel, Jens Witt und ihrem Vater. Nein, gestrichen. Sie würde den ganzen Tag hier vor Rockys Box verbringen. Bis in die Nacht.
Conny zog einen Strohballen aus der Nische neben der letzten Box und ließ sich darauf niederfallen. Nappo, der Haflinger, drückte seine Nase gegen die Trennstäbe zu Rocky und schnaubte kaum hörbar. Rocky streckte seinen Kopf vor und ließ es sich gern gefallen, dass sein
Pferdenachbar ihn tröstete. So standen sich die beiden Nase an Nase gegenüber. Ausgerechnet die zwei, die sich sonst ständig rauften!
Die Stallgasse füllte sich allmählich mit Reitern. Alle kamen kurz zu Conny und erkundigten sich nach dem Traber. Rocky stand während der ganzen Zeit regungslos auf drei Beinen, immer noch Kopf an Kopf mit Nappo.
Pferde trösten sich gegenseitig besser, als Menschen das können, stellte Conny mit einem Anflug von Eifersucht fest. Das bemerkte auch Luisa als Erstes, als sie eine halbe Stunde später mit ihrem Skriptgirl-Heft erschien und den kranken Traber besuchte. »Theo sagt, wir sollen Rocky heute total in Ruhe lassen«, richtete sie vom Tierarzt aus, »damit könnte man ihm am besten helfen.« Luisa schob sich neben Conny auf den Strohballen. »Auch wenn du im Moment davon nichts hören willst; wir brauchen dich morgen früh um acht Uhr im Museumsdorf.« Sie blätterte suchend in ihrem Heft. »Die haben dort genau die richtige Kutsche. Aber die verleihen sie nur unter der Bedingung, dass wir im Museumsdorf weiterfilmen.« Beschwichtigend hob Luisa die
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