Bücher online kostenlos Kostenlos Online Lesen
Großstadt-Dschungel

Großstadt-Dschungel

Titel: Großstadt-Dschungel Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Sarah Mlynowski
Vom Netzwerk:
machen.
    Klappt nicht.
    „Ich suche mir einen Platz in der Mitte“, flüstere ich Sam zu. Ich bin ein großes Mädchen. Ich kann im Kino auch allein sitzen. Ich halte nach einem freien Sessel Ausschau. Neben einer blonden Frau zehn Reihen hinter mir entdecke ich einen und bahne mir meinen Weg dorthin.
    „Hey, setz dich gefälligst.“
    „Geh aus dem Bild.“
    „Was ist denn mir dir los?“
    Ich rutsche in den Kinosessel und bemühe mich, mir Platz für meinen Großeinkauf zu schaffen.
    Jeremy und ich haben immer am Gang gesessen. Ich korrigiere: Jeremy hat immer am Gang gesessen. Ihm gefiel die Beinfreiheit. Selbstverständlich hat er nie danach gefragt, ob auch
ich
am Gang sitzen wollte.
Ich
saß immer neben dem Idioten, der seinen Arm auf meine Lehne legte.
Ich
war diejenige, die seine Härchen auf ihrer Haut spüren musste. Eine gute Frage: Wenn es zwischen zwei Leuten nur eine Stuhllehne gibt, wieso nimmt dann immer die andere Person an, dass sie für ihn bestimmt ist?
    Na immerhin. Wenigstens die Frau neben mir lässt mir hinreichend Platz. Sie kuschelt mit ihrer Begleitung. Ich kann sein Gesicht nicht sehen, aber sie ist blond, und sie strahlt, und ich versuche wirklich, sie nicht zu hassen.
    Ich muss aufs Klo. Ich hätte doch vor der Vorstellung gehen sollen.
    Wow. Pierce Brosnan ist einfach geil. Natalie findet, dass er zu gut aussieht, zu perfekt. Was heißt das denn genau, zu gut aussehend? Sie sagt, sie könnte nie mit einem Typ ausgehen, der besser aussieht als sie. Sie sagt, sie hasst es, in ein Restaurant zu gehen, und jeder starrt den Mann an und nicht sie. Solche Probleme möchte ich haben.
    Man betrachte doch nur diesen Körper. Vielleicht sollte ich im Verlag vorschlagen, auch mal Spionagebücher zu machen.
    Ich muss wirklich dringend auf die Toilette.
    Ich versuche es damit, die Beine übereinander zu schlagen. Ich weiß auch nicht, warum, aber ich trinke noch mehr Orangensaft.
    Ich könnte unsere Marketing-Strategen davon überzeugen, dass wir Pierce auf das Cover unserer neuen Spionagebücher setzen. Selbstverständlich werde ich nicht zu dem Shooting eingeladen, aber Pierce wird das blond gefärbte Supermodel an seiner Seite nicht ausstehen können. Selbstverständlich werde ich wie zufällig durch den Raum schreiten, und er wird mit seiner rauen britischen Stimme fragen: „Was ist mit ihr?“. „Mit ihr?“ wird Helen sich wundern (obwohl sie ja nur eine einfache Lektorin ohne Leitungsfunktion ist, von daher hat sie auch kaum eine Chance, dabei zu sein). „Sie ist doch bloß eine Lektoratsassistentin!“ Die ganze Szene wird sich perfekt getimt abspielen, und ich werde sagen: „Ich?“ Und er wird begeistert nicken und mir mit seinen wunderbar kräftigen Händen ein Zeichen geben, und ich werde mich zu ihm stellen. Und während die Windmaschine meine Haare nach hinten bläst, dreht er sich zu mir und haucht: „Möchtest du mein nächstes Bond-Mädchen sein?“ Und dann werde ich eine Genforscherin spielen, die in einem engen weißen Tanktop und silbernen Stretchhosen durch das Krankenhaus läuft.
    Ach du Scheiße. Eine Wasserfallszene. Das geht nicht mehr lange gut.
    Ich muss zur Toilette. Jetzt.
    „Entschuldigung, Entschuldigung, Entschuldigung …“
    „Hey, setz dich gefälligst.“
    „Geh aus dem Bild.“
    „Was ist denn mit dir los?“
    Ich renne zum Damen-WC, reiße eine leere Kabinentür auf, lege sorgfältig Toilettenpapier auf die Brille. Ich bin nicht wie Sam, aber ich bin auch nicht verrückt.
    Und dann, als ich mich gerade erleichtere … wusch.
    Was ist nur mit diesen automatischen Klos los? Warum spülen die, obwohl man noch gar nicht fertig ist? Wie soll ich ein Bond-Mädchen werden, wenn ich nicht mal begreife, wie eine Toilette funktioniert?
    Ich schleiche zurück ins Kino („Hey, setz dich gefälligst.“ „Geh aus dem Bild.“ „Was ist denn mit dir los?“) und widerstehe der Versuchung, die Blonde zu fragen, was ich verpasst habe. Am Ende würde sie noch glauben, ich wollte mich mit ihr anfreunden, was im Grunde gar nicht so schlecht wäre, da sie vermutlich jeden Kerl kriegen kann, den sie haben will, und von daher eine Menge Abgelegte zur Verfügung stünden. Quatsch! Ich will auf keinen Fall, dass sie denkt, ich hätte keinen Freund und wäre darüber auch noch unglücklich oder – Gott bewahre – verzweifelt.
    Als der Abspann kommt, stehe ich sofort auf, um als eine der Ersten in der Schlange zum Nachfüllen zu stehen. Sicher, mein Popcorneimer ist

Weitere Kostenlose Bücher