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Großstadt-Dschungel

Großstadt-Dschungel

Titel: Großstadt-Dschungel Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Sarah Mlynowski
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Gradinger will mich nicht. Natalies Typ hat gleich am nächsten Tag angerufen.
    Sam kommt ins Wohnzimmer. Sollte sie mich fragen, ob ich das Bad schon geputzt habe, nehme ich die Pizza und schmiere damit ihr Klo voll.
    „Was ist los?“ fragt sie.
    „Nichts.“
    „Was machst du heute?“
    „Nichts.“
    „Hast du Lust, mit uns den neuen James Bond im Kino anzusehen?“
    „Nein.“ Lüge, ich hatte große Lust, den neuen James Bond mit den beiden zu sehen. „Na ja, vielleicht.“
    „Na los. Was spricht dagegen? Du hast dich seit sechs Stunden nicht bewegt.“
    „Seit wann ist Kino Aerobic? Schlagen wir die Bösen etwa zusammen mit Jimmy nieder?“
    „Wenigstens wirst du vom Sofa aufstehen und zum Auto gehen müssen.“
    Das stimmt. Obwohl sich der Aufwand für mich in diesem Moment nicht wirklich zu lohnen scheint. „Gut. Ich komme mit.“
    Als ich unter der Dusche stehe, versuche ich die grünlich braunen Flecken an meinen Armaturen geflissentlich zu ignorieren. Morgen mache ich
definitiv
sauber.
    Marc trudelt um Viertel vor neun bei uns ein. Er kurbelt das Fenster seines nagelneuen zweitürigen Civic runter, und Sam drückt ihm einen Kuss auf die Lippen. Wenn die den ganzen Abend nur turteln, setze ich mich weg.
    Ich klettere umständlich unter dem wie die Stange eines Limbo-Tänzers montierten Sicherheitsgurt hindurch auf den Rücksitz und erinnere mich dabei an eine Unterhaltung, die ich durch die papierdünnen Wände hindurch mitbekommen hatte. „Wir haben uns nicht gestritten, wir haben diskutiert“, hat Sam die Situation später kommentiert.
    Sam: „Ein Zweitürer? Wir sind keine sechzehn mehr.“
    Marc: „Ein Viertürer? Bin ich Mitte dreißig, oder was?“
    So ging es die ganze Nacht weiter – zwei Türen oder vier, vier Türen oder zwei – ‚ immer wieder dieselbe Leier, die mich um den Schlaf brachte (ich war förmlich gezwungen, in aufrecht sitzender Position mein Ohr fest an die Wand zu drücken), bis ich aufstand und zu meinem Schreibtisch ging, um Honda einen Brief zu schreiben, sie mögen doch bitte einen Dreitürer erfinden, damit Sam und Marc endlich Ruhe gaben.
    Ich trete auf eine alte Burger-Box auf dem Fußboden vor der Rückbank. Es riecht nach verschimmeltem Gemüse. Und das lässt Sam ihm durchgehen?
    „Wir sollten mit dem Wagen in die Waschstraße fahren“, sagt Sam schnüffelnd. Als wäre er eine schmutzige Windel, hebt sie mit spitzen Fingern einen zweiten alten Burger-Karton auf, faltet ihn ordentlich zusammen und schiebt ihn in eine Plastiktüte, die sie aus ihrer Handtasche gezogen hat.
    „Ja, Mom“, antwortet Marc und schaltet das Radio an. Ich vermute, dass auch er nur ein gewisses Maß an Nörgelei ertragen kann. Ob er wohl jemals versucht war, ranziges Bratfett von McDonald’s auf ihren Toilettendeckel zu schmieren?
    „Jetzt komm mir bloß nicht so“, entgegnet Sam.
    Ich komme mir hier hinten ein bisschen wie ihr Kind vor. „Wann sind wir da?“ frage ich.
    „Gleich“, sagt er.
    Wir biegen auf den riesigen Parkplatz des 24 Säle umfassenden Cinemaxx-Kinos, auf dem bereits mindestens tausend andere Autos stehen. Offensichtlich sind wir nicht die Einzigen mit der Lass-uns-ins-Kino-gehen-und-die-Stars-be-wundern-Idee. Haben alle diese Menschen denn kein richtiges Leben? Wir quetschen uns in eine Lücke am Ende des Parkplatzes.
    „Hättest du uns nicht vorne rauslassen können?“ beschwert sich Sam.
    „Sorry“, entschuldigt sich Marc. „Hab ich nicht dran gedacht.“
    Uns vorne rauszulassen wäre nett gewesen. Eine Art Kofferkuli wäre jetzt noch netter gewesen. Hättest du uns nicht einen Kofferkuli bauen können, Marc?
    Keine schlechte Geschäftsidee übrigens. Ein Wägelchen, das kreuz und quer über den Parkplatz fährt und die Leute aufpickt oder rauslässt wie im Disneyland. Allerdings würden dauernd Menschen ein- und aussteigen wollen, so dass der Shuttle alle paar Sekunden anhalten müsste und die Fahrt zum Auto länger dauern würde, als wenn man gleich zu Fuß geht.
    „Beeilt euch, Mädels, wir sind spät dran“, mahnt uns Marc. Besser gesagt, er mahnt mich, weil ich diejenige bin, die das Tempo drückt. Ich bin eine langsame Fußgängerin. Ist es denn meine Schuld, dass kleine Menschen kurze Beine haben?
    Wenn er uns wie ein Gentleman vorne rausgelassen hätte, hätten wir die Tickets schon. Der Cinemaxx-Komplex ragt in der Ferne auf wie das Schloss von Cinderella. Dreidimensionale Zeichentricktiere schweben imposant über dem Eingangsbereich.

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