Großstadt-Dschungel
kaum ein Viertel leer. Aber ich habe das Auffüllen schließlich bezahlt, also werde ich ihn auch auffüllen lassen.
„Jackie?“
Ich drehe mich zu dem Platz neben mir und erkenne Andrew Mackenzies leicht sommersprossigen, um die Schultern der Blonden gelegten Arm.
Nie wieder setze ich mich allein ins Kino.
Die Blonde mustert mich und denkt wahrscheinlich: „Aha, so sieht also ein Mensch aus, der keine Freunde hat“.
„Hallo, Andrew! Du denkst bestimmt, ich bin allein im Kino, bin ich aber nicht. Ich bin mit Freunden hier. Echt. Aber die sitzen in der ersten Reihe, wo mir der Nacken wehtat …“ Die beiden starren mich an – ausdruckslos.
Andrew würde Jeremy erzählen, dass ich an einem Samstagabend allein ins Kino gegangen bin. Von daher könnte ich mich nachher ebenso gut vor Marcs zweitürigen Civic schmeißen.
„Wie geht’s dir?“ fragt er. Lächelnd gibt er mir den Weg zum Gang frei.
„Nein, wirklich. Ich bin
nicht
allein hier.“ Ich gehe nirgendwohin, bevor nicht Marc und Sam vorbeilaufen und ich beweisen kann, dass ich nicht allein hier bin.
„Jackie, das ist Jessica. Jessica, Jackie.“ Ich schüttle ihre perfekt manikürte Hand. Sie sieht wirklich wie eine Jessica aus. Sie sieht aus, wie ich mir Jessica Wakefield immer vorgestellt habe, der Sweet Valley-Zwilling.
Wer ist diese Jessica? Und warum hat er nichts von einer Freundin erzählt? Wenngleich ich ihm im „Orgasm“ nicht viel Gelegenheit gegeben habe, von sich zu erzählen.
Sam und Marc sind bereits am Ausgang. Mist! Sie sind andersrum gegangen.
„Schön, dich getroffen, schön, dich kennen gelernt zu haben. Ich muss jetzt gehen“, sage ich darum bemüht, diese Peinlichkeit nicht fortzusetzen. Ich laufe aus dem Kinosaal.
Wenigstens steht am Popcorn-Tresen keine Schlange.
Keine Schlange, weil er geschlossen ist. Diese Halsabschneider. Verbrecher. Ich werde das mieseste Bond-Mädchen, das es je gegeben hat.
„Ich hol das Auto, Mädels“, bietet Marc an.
„Du bist so süß, Marc.“
„So ist dein Bär-Balu.“
Egal. Ich will gar kein Bond-Mädchen sein. Ich hasse silberne Stretchhosen.
Keine Nachricht. Nicht, dass ich mit einer gerechnet hätte, aber man weiß ja nie. Er würde Samstag Abend sowieso nicht anrufen. Wenn er es täte, würde er ja denken, dass ich Zuhause sei, was bedeutete, dass er dächte, ich hätte nichts Besseres zu tun, als nicht auszugehen und auf seinen Anruf zu warten. Und warum sollte er an einem Samstagabend überhaupt zu Hause sein?
Gott sei Dank hat er nicht angerufen. Ich treffe mich nicht mit Losern.
Ich schminke mich ab. Diese grünen Ränder überall erschrecken mich doch langsam ein wenig. Ich sollte wirklich das Bad putzen. Wo sind die Sachen? Warum hat Sam sie weggeräumt? Morgen gehe ich das Projekt ganz sicher an. Dafür stelle ich mir sogar den Wecker. Auf neun. Okay, halb zehn. Zehn.
Rrrriinnnggggg
… Es ist 9:57 Uhr, 9:48 Uhr, wie gesagt. Ich habe noch drei Minuten. Ich gehe nicht ran. Leg auf, Dad. Ich stöpsel das Telefon aus und schalte den Wecker ab.
Scheiße. Es ist 12:40 Uhr. Und ich muss das Bad putzen. Aber halt. Ich habe eine Nachricht. Das war nicht Dad, der angerufen hat; auf der digitalen Anzeige steht: Anrufer unbekannt. Was für ein rücksichtsloser Torfkopf ruft an einem Sonntag Morgen um 9:48 Uhr an?
„Jackie, hier ist Jonathan Gradinger. Meine Nummer ist 555 2854. Ruf mich an, wenn du Lust hast. Ruf mich an, wenn du Lust hast.“
5. KAPITEL
S treich’ dir mit den Fingern doch durch dein eigenes blödes Haar
Yeah! Er hat angerufen! Yeah! Yeah! Yeah! Gott sei Dank habe ich nicht abgehoben, verschlafen wie ich war. Wer weiß, was für eine Unverschämtheit mir rausgerutscht wäre. Ich hätte ihm womöglich gesagt, was für ein Fescher er ist. Warum rief er bloß so früh an? Er muss mich wirklich mögen. Ich meine
wirklich
. Er hat direkt beim Aufwachen an mich gedacht, wenn man davon ausgeht, dass er so gegen halb zehn wach wurde, was eine normale Aufwachzeit ist. Oder vielleicht wurde er auch schon um acht wach, entschied sich für einen Lauf, um die Energie, die sich in seiner Lendengegend aufbaute, ein wenig zu dämpfen, und als er es gar nicht mehr aushalten konnte, hat er angerufen.
O mein Gott. Was, wenn er sich heute Abend mit mir verabreden will? Oder was, wenn er sich heute tagsüber mit mir verabreden will? Was, wenn er, sobald ich ihn zurückrufe, anbietet, bei mir vorbeizukommen, um mich zum Essen abzuholen, und was, wenn er, einmal hier,
Weitere Kostenlose Bücher