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Großstadt-Dschungel

Großstadt-Dschungel

Titel: Großstadt-Dschungel Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Sarah Mlynowski
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das Bad benutzen möchte? Ich werde es
jetzt
sauber machen müssen, und erst wenn ich damit fertig bin, rufe ich ihn zurück.
    Ich gehe ins Bad. Hunderte meiner Haarsträhnen haben sich auf dem gefliesten Boden zu einem dünnen Teppich verflochten. „Sam!“ brülle ich, den Tränen nahe. „Hilf mir! Ich kann das nicht!“
    Mit einem Hechtsprung kommt Sam innerhalb von Sekunden voll ausgerüstet mit Reinigungsmitteln, gelben Gummihandschuhen und einer Art Bürste, von der ich glaube, mir aber nicht hundertprozentig sicher bin, dass man damit die Toilette reinigt.
    „Warum habe ich so was nicht?“ will ich wissen.
    „Die werden nicht mit dem Klo geliefert, mein lieber Dreckspatz, die kauft man extra. Wie Batterien.“
    „Verstehe. Danke, danke, danke.“
    „Ich mache nicht für dich sauber. Ich zeige es dir lediglich.“
    „Oh.“
    Eine halbe Stunde, eine halbe Flasche Putzmittel und zwei Rollen Küchenpapier später bin ich zufrieden.
    Jetzt kann ich ihn anrufen. Vielleicht denkt er an ein Nachmittagspicknick mit Sekt und Erdbeeren und Tunfischsandwiches. Aber dafür muss ich mich erst zurechtmachen. Derzeit zeigen meine Locken noch in alle Himmelsrichtungen. Ich komme mir vor wie Pippi Langstrumpf. Ich gehe unter die Dusche, föhne mein Haar, drücke den Rest des Make-ups aus der Tube. Und ein bisschen Lippenstift. Ich werfe mir den Bademantel über. Ich will mich nicht anziehen, bevor ich nicht weiß, wo ich hingehe.
    Ich höre den Anrufbeantworter noch einmal ab. „Jackie, hier ist Jonathan Gradinger. Meine Nummer ist 555 2854. Ruf mich an, wenn du Lust hast. Ruf mich an, wenn du Lust hast.“
    Ich bin mir nicht sicher, warum er den zweiten Teil wiederholt hat. Die Nachricht erinnert mich an die von Wendys Großmutter, die immer anrief, als wir beide noch zusammen an der Uni waren. „Wendy, hier ist deine Grandma. Deine Grandma hat angerufen. Ruf deine Granny mal an. Ruf mal Granny an.“
    Ich notiere seine Nummer. Ich wähle.
    „Hallo.“ Unverkennbar seine sexy Stimme. O mein Gott. Ich spreche mit Jonathan Gradinger.
    „Hallo, Jonathan?“
    „Das ist der Anschluss von Jonathan Gradinger. Ich kann im Moment leider nicht ans Telefon. Bitte hinterlassen Sie Ihren Namen und Ihre Nummer. Ich rufe schnellstmöglich zurück. Hinterlassen Sie also Ihren Namen und Ihre Nummer. Ich rufe schnellstmöglich zurück. Ich wünsche Ihnen einen wunderbaren Tag.“ Schon wieder eine Wiederholung. Das sollte mich vielleicht warnen, aber habe ich Lust, prikkelnde Vorfreude durch dunkle Vorahnungen zu verscheuchen? Zu diesem Zeitpunkt kann ich an nichts anderes denken als daran, dass ich – Wahnsinn! – mit Jonathan Gradingers Anrufbeantworter kommuniziere. Vor achtundvierzig Stunden hätte ich nie im Leben daran geglaubt, ihm eine Nachricht zu hinterlassen. Wenn irgend so ein Wahrsager mir aus der Hand gelesen hätte, dass ich in wenigen Tagen im Besitz von Jonathan Gradingers Telefonnummer wäre, die ja noch viel privater ist als die Handynummer, ich hätte ihn für einen Scharlatan gehalten.
    Sekunde. Woher weiß ich denn, dass es seine Privatnummer ist?
    Beep. Ich soll die Nachricht hinterlassen. Beep.
    Mein Kopf ist leer. Ich habe keine Ahnung, was ich sagen soll. Rote-Bete-Saft, Rote-Bete-Saft? Ich starre auf den Hörer und lege auf.
    Mein Fehler. Ich hätte vorbereitet sein können. Wo ist mein roter Filzstift? Okay, ganz einfach.
    Hallo, Jonathan. Hier ist Jacquelyn.
    Zu formal.
    Hi, Jon, ich bin’s, Jack.
    Zu vertraut. Wir sind noch nicht telefonerprobt. Und was, wenn er glaubt, ich wäre ein Mann?
    Fünfzehn Minuten verstreichen, und ich ringe immer noch mit mir.
    „Dein Bad sieht super aus! Ich bin beeindruckt!“ ruft Sam, meine Konzentration störend. „Jackie, wo bist du?“
    „In meinem Zimmer.“
    „Was machst du denn?“ Sie kommt vorsichtig näher, als erwarte sie, dass irgendwas Lebendiges aus meinem Wäschekorb springt und sie anfällt.
    „Ich dichte.“ Ich skizziere ihr kurz das Problem.
    „Okay“, sagt sie, „wie wär’s damit? ‚Hi Jonathan, ich bin’s, Jackie mit dem Rückruf. Melde dich, wenn du Zeit hast.’“
    „Das ist genial! Was kommt noch mal nach Rückruf? Sprich langsam, damit ich es mitschreiben kann.“
    „Du bist verrückt.“
    „Egal. Es fällt mir schon wieder ein.“
    „Vergiss nicht, deine Nummer zu unterdrücken.“
    „Warum?“
    „Was ist, wenn er ein Display hat? Du hast bereits einmal aufgelegt. Sähe komisch aus, wenn dein Name zweimal mit nur einer

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