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Gruber Geht

Gruber Geht

Titel: Gruber Geht Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Doris Knecht
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vorangehenden offensiven Downgradings des Anlasses, sein taubenblaues Van-Laack-Hemd mit den Initialien getragen. Es war nun mal nicht nur eins seiner besten und teuersten, sondern auch sein schönstes Hemd, und Gruber hatte sich, als ihm beim Erwerb das Einsticken seiner Initialen angeboten worden war, endlich die Mittel-Initiale zugelegt, die ihm seine geizigen  68 er-Eltern bei seiner Original-Benamsung verweigert hatten. Was Gruber schon sein halbes Leben lang zwickte. Ein Vor- und ein Nachname, zwei Initialen, das war bitte etwas für Loser, Unterschichtler, für Hippies und Hartzer. Gruber hatte in dem Laden nicht nachdenken müssen und dem Verkäufer mit großer Sicherheit drei Lettern diktiert, und da prangten sie nun, auf diesem und seinen anderen drei Van-Laack-Hemden (weiß, steingrau, altrosa), schlicht, unaufdringlich und doch bedeutend. JF G .
    Sarah war um fünf nach acht heruntergekommen, und Gruber hatte sie geküsst und gefragt, ob sie ein Stück gehen oder lieber ein Taxi nehmen wolle. Gehen. Trotz der Schuhe. Die Schuhe, nein, alles an ihr war total Fabio-tauglich. Sie trug ein luftiges, in Grüntönen gemustertes, leicht glänzendes Kleid (Zara, vermutete Gruber), dazu schwarze Strümpfe oder Strumpfhosen – Strumpfhosen vermutlich – und hochhackige Stiefletten. Sie sah toll aus, auf eine gute, lockere, unprätentiöse Weise edel, und Gruber hatte kurz überlegt, ob das Ubl in seiner Rustikalität wirklich die richtige Idee gewesen sei, ob das Fabio’s nicht vielleicht doch? Nein. Nein, nein, nein. Und es war dann okay gewesen. Das Gehen durch den ersten Bezirk und die Hofburg, wo Gruber sich nicht zu blöd gewesen war, unter der Kuppel «Blowing in the Wind» zu pfeifen, und eigentlich hatte er ausschließlich zu diesem egoistischen Zweck den längeren Weg durch die Hofburg gewählt, damit er Sarah unter der Kuppel etwas pfeifen konnte. Und sie hatte gelacht, also war es den Umweg und die gezielte Selbsterniedrigung Wert gewesen. Dann auf dem Schleichweg durch die Hofburg hinüber in den Burggarten, kommt doch gut, wenn man versteckte Wege kennt, hat doch so ein bisschen Pfadfinderromantik, und mögen Mädchen nicht Pfadfinder? Sarah hatte allerdings erst beim Anblick des Palmenhauses, welches, als sie den Durchgang von der Hofburg herüber passiert hatten, in der Abendsonne glitzerte und gleißte, so etwas wie Staunen, ja Ergriffenheit gezeigt. Boah. Ist das schön. Sie hatte seinen Arm untergefasst, gerade rechtzeitig, bevor ihm eine alte Affäre, Katja, nein, Tanja zugewinkt hatte, die an einem der Tische vor dem Palmenhaus saß. Er hatte höflich zurückgewinkt. Sarah hatte nicht gefragt. Sie hatte überhaupt nicht viel gesagt, sie war einfach mit großen, festen Schritten neben ihm her gegangen, im Gleichschritt, mit ihm.
    Und sie hatte, als er ihr die Tür des Ubl aufhielt, glücklich geseufzt. Vielleicht drückte der Seufzer auch nur Erleichterung aus, möglicherweise hatte sie eben doch etwas Verschnöseltes von ihm erwartet. Oder ihr taten die Füße weh, war doch kein kleiner Marsch gewesen. Jedenfalls hatte sie dann, nach sehr kurzem Studium der Karte, keinen Hühnerstreifensalattralala und kein Mineralwasser light gewählt, sondern, was Gruber wohlwollend konstatierte, Suppe, Wiener Schnitzel mit Salat und Mohr im Hemd, und das Schnitzel war, wie sie, «Hab ich das schon erwähnt?» – «Na ja, höchstens ein halbes Mal.», ungefähr acht Mal angemerkt hatte, das beste Schnitzel ihres Lebens gewesen. Und sie hatte Bier getrunken, obwohl Gruber auch eine Flasche Wein bestellt hatte. Drinnen, an einem Tisch in der Nähe der Tür, hatten knurrige alte Männer fast schweigend Karten gespielt. Sie hatte den Garten bewundert, die Rosen, na bitte, wusste er es doch. Sie hatte auf die Hemdbrust gedeutet und nach seinem Mittelnamen gefragt und Gruber hatte eilig einen Urgroßvater namens Ferdinand erfunden, der offensichtlich kein Misstrauen in ihr auslöste. Und dann hatte sie ihn gefragt, schon während sie sich vor der Suppe eine Zigarette anzündete. Er spürte, dass es ihr schwerfiel, aber sie fragte, geradeheraus. Was aus der Sache mit dem Brief geworden sei, ob er krank sei. Und er hatte es ihr, obwohl es ihm auch schwerfiel, erzählt, alles, was sie wissen wollte, und das war praktisch alles gewesen. Diagnose, Zweitdiagnose, Drittdiagnose, Chemo und von den Gesprächen, die er mit dem Arzt führte, der ihm Blut abnahm. Er erzählte ihr nicht, dass er dem Arzt gegenüber stets

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