Gruber Geht
Carmen war mehr Verlass.
Für Sarah kam das Fabio’s nicht in Frage, das hatte Gruber schon mit sich ausdiskutiert, als er durch die Tür des Hotel Wandl ins Freie getreten war. Blendend tiefe Nachmittagssonne, Sonnenbrillendiktat. Gruber hatte in die Brusttasche seines Boss-Hemdes gegriffen (unbeschwerter, zufällig wirkender Frühsommernachmittagsstil, natürlich mit Bedacht gewählt) und seine Shades herausgezogen. Nicht, dass Sarah nicht ins Fabio passen würde, das würde sie durchaus, vor allem ihr Grinsen. Tät dem Fabio’s und seiner Bagage nicht schaden, ein bisschen von diesem Grinsen. Und nicht, dass er sie nicht beeindrucken wollte. Er wollte sie sogar sehr beeindrucken, ja, aber nicht auf so eine schwule Rossini-Art, das kam zwar bei den meisten Weibern, Carmen ausgenommen, spitze an, aber bei Sarah, das hatte er im Urin, würde das nicht funktionieren. Und er wollte, Sakrament, ja, er wollte und niemand brauchte es je zu erfahren: dass Sarah sich wohlfühlte, weil er sich dann auch wohlfühlen würde, und wohlfühlen war gerade umständebedingt eine Grubersche Priorität. Und er wollte, dass sie ihn gut fand, weil er, dieser Gruber, der lässige Wiener, in der Lage war, ein angenehmes, ja das perfekte Restaurant für den Abend nach einem ziemlich perfekten Fick auszuwählen. Nicht einfach ein Fick-Fick, zu dem irgendein cooles Sehen-und-Gesehenwerden-Lokal passte. Nein, das heute war, Gruber war unter seinen Moscot-Shades (Miltzen, original 1920 ies, in Tortoise) doch prompt errötet, als er es sich eingestehen musste, ein Liebemachen-Fick gewesen, eine fragile, sensible Sache, die in ihrer aushäusigen Verlängerung nach einer gewissen Harmonie verlangte. Nichts Romantisches mit Kerzentralala, das würde es auch zerstören, sondern etwas, nun ja, Echtes, Ehrliches. Schließlich wollte Gruber auch nicht, dass Sarah ihn für einen Schnösel hielt, na ja, falls sie das nicht eh schon tat, aber für den Fall war diese Sicht der Dinge hoffentlich ein wenig überdeckt vom Umstand, dass Gruber gesundheitlich angeschlagen war. Die Cantinetta vielleicht ... Lag auch gleich um die Ecke. Nein, zu sehr konfektioneller Nobel-Italiener. Zu gespritzt, im Prinzip, und irgendwie zu hell. Goldene Zeiten ginge, aber. Steirereck nicht. Das Palmenhaus, das Palmenhaus war relativ unverschnöselt und ungemein geeignet, um Ausländer mit Wiener Gründerzeitprachtgeschnurre in Verbindung mit moderner Architektur zu beeindrucken, das Essen war gut, die Weinkarte beachtlich, aber: schlechte Akustik, zu laut, zu viele Touristen. Etwa dasselbe galt für das Neni am Naschmarkt, zu verwuselt, und schreckliche laute, viel zu laute Musik. Plus gefährlich schwankende Qualität des Service, und Gruber wollte sich heute auf keinen Fall die Stimmung durch schlechte Bedienung oder zynismusgeladene Wortgefechte mit Studentenkellnern, denen es eh scheißegal war, verderben lassen. Wienerisch, was Wienerisches wäre besser, im echt-und-ehrlich-Sinne. Gruber hatte sich am Graben ein Taxi herangewunken, die Adresse seiner Wohnung genannt, den quasselbereiten Fahrer mit einer giftigen Bemerkung zum Schweigen gebracht und weiter vor sich hin gehirnt, aber noch unter der Dusche musste er sich wundern, warum es plötzlich so schwer war, sich für eine Kleinigkeit wie ein passendes Restaurant zu entscheiden. Er hatte die Hände an die Wand gelegt und ließ sich das Wasser auf den Kopf prasseln. Ein Restaurant, bitte. Gruber aß schließlich jeden Abend in einem Restaurant, so fucking what? Fucking deshalb: Der Nachmittag war sauschön gewesen. Er wollte, dachte Gruber, während er den Temperaturregler harsch auf kalt stellte, dass der Abend auch sauschön würde. Extra schön.
Und hatte dann, nach endlosem Gehirne, einen Tisch im Garten vom Ubl reserviert, das ihm, kaum war es ihm eingefallen, perfekt schien. Erstens war es alt, ehrwürdig, wunderschön, gemütlich, klassisch, gediegen und ungeheuer wienerisch, und es hatte drei Meter hohe Rosenbäume im Garten, Gruber kennt keine Frau, die keine Rosen mag. Zweitens lag es in Gehweite von seiner Wohnung, selbst angesoffen. Gerade angesoffen. Die exakt richtige Fuß-Distanz für eine leicht angeschwummerte Frau. Tja, mhm. Der Abend war lau. Gruber hatte um acht in der Lobby vom Hotel Wandl gesessen, cool, entspannt, mit einer Zeitschrift lässig auf dem Paul-Smith-Beinkleid und einem Blutdruck, der sich irgendwie zu hoch anfühlte. Die Medikamente vermutlich. Dazu hatte Gruber, trotz des
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