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Gruber Geht

Gruber Geht

Titel: Gruber Geht Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Doris Knecht
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eine Spur des Interesses erzeugen würde. Er würde sich vermutlich nicht einmal ihren Namen merken, außer vielleicht wenn Gruber das L-Wort ausspräche, aber dafür gab es ja wohl keine Veranlassung. Deshalb Relevanzquotient null. Es gab nichts, das er Philipp über Sarah erzählen konnte und das Philipp irgendwie beeindruckt hätte. Nicht, dass er Philipp beeindrucken wollte, das war Gruber egal, nein, nicht ganz, aber er hatte keine Lust darauf, Philipp zuzusehen, wie er sich zu langweilen anfing, wie er in immer kürzerer Frequenz auf seine grausliche, billige Plastikuhr schauen würde. Gruber hatte ihm zum dreißigsten Geburtstag, da ging es Gruber gerade zum ersten Mal sehr gut, eine richtig teure Uhr geschenkt, ehrliches eidgenössisches Handwerk, die Philipp ungefähr vier Mal getragen hatte, und dann nicht mehr. Wie er mit diesem Uhrenblick darauf hinweisen würde, dass es jetzt aber allmählich Zeit würde, das Lokal zu wechseln, um sich in der Loos, oder wohin gehen wir?, Weiber anzuschauen, die mit Yvonne nichts als den Planeten gemeinsam hatten. Was Gruber Philipp über Sarah zu erzählen hat, ist für Philipp weniger als irrelevant. Ach, eine D J -Frau aus Berlin, geil, Taxi bitte. Gruber winkt ab, und Philipp respektiert gerne, dass Gruber über seine Krankheit jetzt nicht reden möchte.
    «Und die Weiber?», sagt Philipp, und Gruber sagt: «Ach, vergiss.»
    Aber er hat nicht vergessen. Er hat den Sarah-Tag, den zweiten Sarah-Tag, den Tag, als er in ihr Hotelzimmer einfiel, nicht vergessen, tatsächlich hat er über den zweiten Sarah-Tag sehr viel mehr nachgedacht als es seine Art ist mit Weibern. Und dadurch auch über den ersten Sarah-Tag, den Krebs-Tag, den Tag, als ihn das Leben in die Ecke trieb, als er nicht mehr davonlaufen konnte, den Tag, als sein Leben endlich wurde. Klar, war es vorher schon gewesen, aber jetzt mehr, irgendwie endlicher. Und dann wieder über den zweiten Sarah-Tag, und er hatte sich gefragt, was denn das gewesen war und warum es sich so, so, so wichtig anfühlt. So substanziell. Gruber war danach mit Sarah essen gewesen, am Abend des Nachmittags in ihrem Hotelzimmer, woran es nichts zu bereuen gab, auf eine irgendwie endgültige, schicksalhafte Art. Sie waren danach auf ihrem Hotelbett gelegen. Er hatte gespürt, dass sie nach der Krankheit fragen wollte, er hatte gesehen, wie sie ihn nach Anzeichen der Krankheit absuchte, wie sie seinen Kopf musterte, seine Haare, seinen Bauch, wie sie ihm in die Augen schaute, vielleicht um dort das hysterische Glänzen des Siechtums zu entdecken oder die finale Ruhe des Todessicheren. Aber sie hatte nicht gefragt.
    Stattdessen war sie aufgestanden und hatte, während er ihren Hintern nicht aus den Augen ließ, zwei kleine Sektflaschen aus der Minibar geholt, für sich und ihn eine aufgemacht, prost, und dann ein bisschen nervös darüber erzählt, warum sie in Wien war, wegen einer Aufnahme in einem Studio, für irgendeinen Techno-Sampler, und Gruber hatte auf dem Rücken gelegen und manchmal einen Blick in ihr Zauselhaar geworfen und auf ihr erhitztes Gesicht und ihre Brüste, und zugesehen, wie sie aus der Flasche trank. Und sich verschluckte. Sie war nervös, interessant. Und es wäre interessant gewesen zu wissen, warum sie nervös war; wegen der Krankheit oder wegen ihm, wegen Gruber selbst. War sie verknallt? Vielleicht war sie verknallt. Egal. Es hatte ihm gefallen. Es hatte ihm gefallen wie letztes Mal, na ja, eigentlich besser, angesichts der Umstände beim letzten Mal, und Gruber hatte ihr bald die Hand auf den Bauch gelegt, und die Hand war bald verrutscht und zwischen ihren Beinen gestrandet und seine Finger in ihr, und ihr Mund war in seinen gerutscht und sie hatten es noch einmal gemacht, es war nicht mehr so spektakulär gewesen wie zuvor, aber immer noch gut. Immer noch sehr gut. So viel besser als das meiste, was Gruber mit Frauen sonst erlebte, er konnte gar nicht sagen, warum genau.
    Und dann hatte Gruber sie gefragt, was sie am Abend mache, und sie hatte gesagt, das wisse sie noch nicht, und Gruber hatte gesagt, gut, dann gehe man essen, wenn’s genehm sei, er hole sie ab um: sei ihr acht recht? Acht war ihr recht. Diesmal warte er unten, hatte Gruber gegrinst, und sie hatte zurückgegrinst, endlich, das große, das vollständige, das ganze, tolle Sarah-Vogel-Grinsen, und sie hatte gesagt: Prima, das sei prima.
    Und Gruber war in seine Hose gestiegen und hatte sie auf den Mund geküsst und noch einmal gesagt, also

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