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Grün war die Hoffnung

Grün war die Hoffnung

Titel: Grün war die Hoffnung Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: T.C. Boyle
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dem Auto geklettert, ein Windstoß aus dem Nirgendwo wehte ihr das perfekte Haar ins Gesicht, während die grauen Wagen auf der Autobahn dem steten Puls der eigenen Scheinwerfer hinterherjagten. Die Welt war grau, ausgewaschen, bar aller Farben und Konturen. Konnten sie ihn sehen? Konnten sie sehen, was er tat, was er vorhatte? (In diesem Augenblick, muß ich gestehen, war mir das ehrlich egal – sie hatten mich schwer getroffen, und ich war bereit zurückzuschlagen, scheiß auf die Konsequenzen.)
    Er hielt den Kopf suchend gesenkt, spähte nach einem Stück Papier, das er in den Tank stecken konnte als Zündschnur, die ihm zehn Sekunden geben würde, denn mehr Zeit brauchte er nicht, und Andrea schrie: »Ty! Ty, mach keinen Quatsch!« Überall lag Abfall herum. Natürlich – hatte er was anderes erwartet? Er bückte sich mechanisch danach: Papier, Kaffeebecher, Dosen, Flaschen, und da lag auch, was er suchte – ein rostfarbener Lappen voller Motorölflecken. Es dauerte eine Weile, bis er den Treibstofftank gefunden und den Deckel abgeschraubt hatte – Andrea saß jetzt wieder im Wagen, auf dem Rücksitz, ihr Gesicht war ganz klein geworden, eine fahle Zwiebel, hinter dem getönten Glas konserviert, am besten sofort einpflanzen und auf die Blüte im Frühjahr hoffen –, dann hielt er ein Streichholz an den Lappen, und eine hauchdünne, pechschwarze Rauchsäule ringelte sich empor.
    Da rannte er längst, neununddreißig Jahre alt und bis zu den Augäpfeln mit Hypotheken verschuldet, mit einem kaputten rechten Knie, schmerzenden Zähnen und Haar, das täglich die Wanderung vom Kopf in den Kamm unternahm, aber er hörte nicht auf zu rennen, ehe er im Auto saß, und dann raste das Auto auf der Straße davon, während die funkelnagelneue D7-Raupe hinter ihnen Feuer spie wie ein Drache – gelb, orange und rot.

Santa Ynez, November 2025

    Wir lachen. Es fühlt sich gut an, richtig gut, sich vormittags um Viertel nach zehn mit billigem Sake zu besaufen, auch wenn meine Nase rinnt und mein Kopf volläuft wie ein Wassersack (das liegt natürlich am Wetter, alle hocken ständig in den Häusern, die große Biomasse der Menschheit ist eine saftige, schnüffelnde, müffelnde Brutstätte für die gerissenen geduldigen Viren, und ich hoffe nur, daß es nicht die Mucosapest ist, die ein Comeback plant. Aber das ist eben das Aufregende am Leben auf diesem morschen Planeten: man weiß nie, welcher Schnupfen der letzte ist). Und mein Arm – den haben sie infundiert, bepudert, genäht und verbunden, und von dort meldet sich kein Schmerz. Jedenfalls noch nicht. Vielmehr fühlt sich der Arm an, als gehörte er gar nicht zu mir, und so packe ich mein Hinterteil auf den Küchentisch und leere ein Gläschen mit vergorenem Reiswein nach dem anderen, ein lässiger Amputierter, mein Mißtrauen habe ich abgelegt – ja, restlos abgelegt –, und die beiden Frauen lachen mit mir. Es könnte mir schlechter gehen.
    Außerdem ist Petunia zurück, und das ist Grund genug zum Feiern. Chuy hat in der Ecke ihres Käfigs, wo der Hühnerdraht im Sturm aufgerissen war, eine Sperrholzwand eingesetzt und sie einen Meter tief in den Boden versenkt, so daß sie sich nicht drunter durchgraben kann oder jedenfalls keine Lust dazu kriegt. Nicht daß sie nicht scharf auf die Freiheit wäre – alle Viecher sind das –, aber sie muß wohl der faulste Patagonische Fuchs der Welt sein (da allerdings die Gesamtmenge der Patagonischen Füchse winzig und weiter abnehmend ist, dürfte die Untermenge der faulen unendlich klein sein). Jedenfalls ist sie wieder da, kauert vor einer Schale mit Hundefutter und den Leichen zweier frisch gefangener Ratten, die Chuy ihr als Willkommensgeschenk hineingeworfen hat, und ich weiß das alles, weil ich bei den Gehegen draußen war, ehe die Sonne aufging, um Stroh über den Schlamm zu verstreuen und ihr so ein gemütliches Lager zu bereiten. Und auch Delbert Sakapathian ist zufrieden, weil ich Macs Sekretärin dazu gebracht habe, ihm für den Verlust seiner Katze persönlich einen Scheck über tausend Mäuse zuzustellen. So löst sich alles in Wohlgefallen auf, oder?
    Trotzdem, da drüben auf der Couch, das ist April Wind, und selbst wenn ich jetzt lache, weiß ich doch genau, daß mir früher oder später ein keckerndes Kichern oder ein feuchtfröhlicher Lacher in der Kehle steckenbleiben wird wie eine Fischgräte. »Erinnert ihr euch noch«, sagt Andrea gerade, und wir erinnern uns alle drei, mit breitem Grinsen, an den Tag

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