Grün war die Hoffnung
Nägel zu durchschimmernden Streifen heruntergekaut) war ständig in Bewegung, um jeden Merksatz, den sie verkündete, zu unterstreichen, und sie verkündete eine Menge Merksätze. Sie sprach lebhaft und selbstbewußt, hielt einen Vortrag, allerdings konnte er von dort, wo er stand, die Nase in ein langstieliges Glas gehängt, kein Wort verstehen. Er mußte sie volle fünf Minuten lang betrachtet haben, nur Bild, den Ton weggedreht, ehe er plötzlich auf sie zuging – und es war kein bewußtes Gehen, keineswegs; eher in der Art, wie eine Motte einer Pheromonspur folgt. Er flatterte mit den Flügeln und segelte durch den Raum.
(Ich muß sie mal beschreiben, so wie sie damals aussah – nicht wie heute mit diesem schwarzgefärbten Haar, das ganze Für-eine-Siebenundsechzigjährige-sieht-sie-ja-noch-verdammt-gut-aus und so weiter, was der zweimal gebrannte Revisionismus eines alten Mannes eben so vermerkt –, weil man das eigentlich selbst erlebt haben muß. Seid dabei. Betretet den Raum, spürt die Hitze des großen Hardwood-Feuers, das die Luft karbonisiert, riecht das brodelnde Chili in den Töpfen und den Geruch des Diaprojektors nach verbranntem Staub, atmet das Kaffeearoma ein – koffeinfrei und Espresso – und das Parfum von vierzig Frauen, die den Eindruck vermitteln wollen, als verströmten sie nichts weiter als den Duft, mit dem sie geboren wurden. Das Schlüsselwort lautet hier »natürlich«. Ernsthaft. Engagiert. Und wie ging der Witz noch schnell: Was ist ein Umweltschützer? Einer, der sein Häuschen in den Bergen schon hat.)
Sie warf ihm einen Blick zu – nur das allerkürzeste Huschen ihrer Augen – und ließ ihn damit in ihren Zirkel ein. Sie redete über das Holzfällen im Westen, über irgendeinen Wald in Oregon, von dem er noch nie gehört hatte, wo uralter Bewuchs zerstört wurde, zum Heulen für die Tiere, zum Heulen für die Erde. Er hörte nicht hin. Jedenfalls nicht genau. Er war viel zu beschäftigt damit, sie zu betrachten, ihre Lippen und die Intensität ihrer Augen zu genießen, versuchte ihren Code zu knacken und sich zu eigen zu machen. Sie kam ihm vor wie eine Stahlarbeiterin oder eine Glasbläserin, auf ihrem Gesicht schimmerte einLicht, das von einem Ort knapp unter dem Kinn auszugehen schien, das Licht gehämmerter Barren, geschmolzenen Quarzes, reinsten Feuers, und ihre Hände waren groß und männlich – Hände, die Dinge getan, Aufgaben vollbracht hatten, die Hände einer Aktivistin , sagte er sich, während er das Weinglas umklammerte und noch näher trat, von der Romantik der Szene bereits vollends überwältigt: Die Welt retten, na sicher, und dazu noch ne Nummer schieben.
Ihr Haar war blond – damals und während der ganzen Zeit, die er sie kannte, bis auf jene besonderen Anlässe, als sie es schmutzigbraun oder fischbauchgrau färbte, wenn sie in die Nacht loszogen, um gegen das System zu kämpfen –, und es war so geschnitten und gescheitelt, daß es ihr jedesmal ins Gesicht fiel, wenn sie den Kopf schräg hielt. Das Haar fiel nach vorn – gutes Haar, gesundes Haar, kalifornisches Haar –, und dann schob sie es zurück, dabei sah man ihre Hände, oder sie warf das Kinn nach vorn, so daß das Haar im Licht kurz aufblitzte und gleich wieder unfehlbar richtig lag, und dabei sah man ihre Augen. Tierwater sah sie. Er sah Andrea. Und noch bevor er begriff, daß sie die Hauptattraktion des Abends war – gemeinsam mit Teo –, drängte er sich durch den Vorhang aus Gesichtern, der um ihre Schultern hing, und stellte sich vor. »Hallo«, sagte er und zeigte die Zähne in seiner besten Imitation eines Lächelns, »ich bin Ty Tierwater, und Sie sind...«
Was hatte er an? Er erinnerte sich nicht. Sicher nichts, was sich als umweltbewußt und schick bezeichnen ließ – kein Gore-Tex oder Bion II oder irgend so etwas. Wahrscheinlich sah er aus wie ein Penner. Wieso auch nicht? Er hatte nichts weiter vor. Geben wir ihm einen Dreitagebart, vorzeitig ergraut (aber nur am Kinn), die Bluejeans mit Farbe und Spachtelmasse und anderem Zubehör der Baubranche bekleckert, eine Bomberjacke, die von Altersrissen und -brüchen übersät war, als hätte einer der alten italienischen Meister daran gearbeitet. Stil hatte er keinen. Das hätte er als erster eingestanden. Aber er sah nicht übel aus, je nach Geschmack natürlich. Dünn. Fast schon hager – aber immerhin war er nicht fett geworden, so wie alle anderen Neununddreißigjährigen in den USA. Er hatte noch dichtes Haar und ein
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