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Grün war die Hoffnung

Grün war die Hoffnung

Titel: Grün war die Hoffnung Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: T.C. Boyle
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am Tehachapi Pass, heiß und trocken und mit einem so blauen Himmel, als wär’s das Auge von jemandem – na schön, das Auge Gottes, falls ER zu existieren geruht –, und an den Schock dieses Flusses, die Instant-Eiseskälte. Wir rannten wieder mal den Waldis davon, und irgendwer – Teo? ich? – bestand auf dem Fluß, um sie von der Fährte abzubringen, und wie tief ist er denn? fragte jemand, knietief, allerhöchstens knietief. »Und dann ist Ty von diesem Felsen aus reingegangen, und tauchte wieder auf, prustend wie ein Eisbär!« Ach ja. Ja. Ha-ha.
    »Wann war das eigentlich genau?« sinniert April Wind. »Vor oder nach Sierras... weil ich mich nicht erinnere, daß sie da dabei war, oder irre ich mich jetzt...?«
    Rrrumms! geht der Wind und sucht sich den perfekten Moment aus, um an meine Hütte zu klopfen. ( Auftritt Spukgestalt; Abgang Frieden, Vernunft und alle guten Vorsätze.) Beide sehen mich an, Andrea mit ihrem rekonstruierten Gesicht und dem mitternachtsschwarzen Haar, die Augen so glänzend und reflektierend, daß man sich einseifen und darin rasieren könnte, und April Wind, diese erstaunliche zwergwüchsige Tantra-Tussi mit einem Blick wie zwei Schrauben, die sich in eine Zaunlatte bohren. »Danach«, sage ich und horche auf das Plätschern des Regens, das lauter wird, um die Stille zu füllen.
    Aber was sehe ich vor mir? Ich sehe Sierra Tierwater mit vierundzwanzig, die aus Janes rundlichem Gesicht (kreisrund, wie das von einem Teigmännchen) zu mir heruntersieht, ihr langer Zopf baumelt herab wie ein Glockenseil, und ein feiner Regen aus Partikeln rieselt von der verwitterten Plattform hoch oben auf ihrem Baum herunter. Ihrem Redwood. Ihrem tausend Jahre alten, sechzig Meter hohen Redwood, der an die hundert Tonnen wiegen mußte und aus dem sich schätzungsweise sechstausend Meter Bretter schneiden ließen, das waren 800000 Dollar, die da mitten in diesem alten Wald standen und nur aufs Abholzen warteten. Dieser Baum. Der sie berühmt machte. Artemis nannte sie ihn, nach der Herrin der Natur.
    Genau. Das sehe ich vor mir, meine Tochter Sierra, wie sie da auf halbem Wege zum Himmel in einem Blizzard aus mystischer muttererdiger New-Wave-Scheiße sitzt, ein Fanal für die Esoterik, und jeder wahnsinnige Spinner mit schlechter Laune und einer Kettensäge schleicht unter diesem Baum herum.
    »Daran bist du wohl ziemlich zerbrochen«, wirft April Wind in die heulende Stille ein – die buchstäblich heult, mindestens Windstärke 8, ein wahres Universum von nicht nagelfesten Gegenständen saust als verschwommener Schleier an dem einzigen Fenster vorbei, das noch nicht zugenagelt ist. »Hast du damals dann so richtig angefangen mit... na, du weißt schon...«
    »Zerbrochen?« Ich werfe ihr das Wort zurück, sofort nach zwei schnellen, brennenden Schlucken Sake, und vergeßt die zarten kleinen Täßchen, jetzt haben meine Lippen unmittelbaren Kontakt mit dem feuchten chromgrünen Hals der Flasche. »Bist du deshalb gekommen? Das ist jetzt das Interview, ja? Wir lachen nicht mehr miteinander, oder? Alles für das kalte nackte Papier, und fällen wir ruhig die letzten zehn Bäume auf der Welt, um es zu drucken. Aber worum geht’s überhaupt, was ist der Aufhänger – interessiert sich denn noch irgendwer einen Scheiß dafür? Ich nämlich nicht. Wirklich nicht.«
    Oho, jetzt ist ihnen unbehaglich zumute, sie rutschen auf ihren Stühlen herum, ihre Köpfe zucken nervös, die Finger dröseln Haarlocken auf, die Blicke gehen nach links, nach rechts und kriechen die Wände hinauf. Was für ein Zufall, daß Andrea ausgerechnet dann zu mir zurückkehrt, als diese kleine Reporterin auftaucht. Es geht um Geld, das Geld irgendeines Verlegers – eine komische Heilige ist immer gut als Bestseller –, aber es steckt noch mehr dahinter, ich sehe es in ihren Augen glitzern. Andrea und April Wind. War ich denn blöd, daß ich dachte, sie führten nichts im Schilde?
    »Na schön, Ty, wir reden Klartext mit dir.« Andrea hat sich von ihrem Stuhl erhoben, steht am Herd, emsige Ellenbogen und zackige Schultern, sie klappert mit der Teekanne. »Vielleicht hatten wir jetzt genug Sake – ist etwas zu früh für mich. Noch jemand Tee?« Und sie dreht sich um, ein Lächeln auf den Lippen.
    Und ich? Ich bleibe einfach hocken, Hintern auf dem Tisch, grimmige Miene, und warte ab.
    Ein Seufzer. Das Lächeln zuckt und erstirbt. »Erstens«, sagt sie, »bin ich zu dir gekommen, weil du mir fehlst und weil ich dich brauche, also

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