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Grün war die Hoffnung

Grün war die Hoffnung

Titel: Grün war die Hoffnung Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: T.C. Boyle
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haben wir hier einen Knüller, wie die Chicago Seven oder Sacco und Vanzetti oder so. Die Menschen kapieren so was. Die sind nicht dumm.«
    Andrea schoß plötzlich nach vorn, ihr Kopf schwebte über der Rücklehne wie ein Satellit, der seine Umlaufbahn erreicht hat. »O doch, das sind sie. Dumm wie Bohnenstroh. Deshalb müssen wir diese Story Shep und Suzie zuspielen – die werden sie rausbringen, wieder und wieder. Wir brauchen die L.A. Times, Newsweek, Women’s Day, Time .«
    »Die CBS-Abendnachrichten – das Fernsehen brauchen wir.«
    Tierwater nahm das alles auf – nicht bewußt und nicht völlig wach, eher so wie ein Schwamm ein kleines Rinnsal aufsaugt. Es war seine Frau, die da redete, die Frau, die er liebte, die Frau, bei der er entflammt war, und der Mann, der in der kurzen Zeitspanne von wenigen Monaten angetreten war, sich die Rolle seines besten Freundes zu schnappen. Es war sein Leben, was da sprach – ein Leben, das sich so radikal gewandelt hatte, wie er es sich vor einem Jahr nicht hätte vorstellen können. Er hatte geheiratet, die Bankkonten geplündert, alle bewegliche Habe verkauft, das Haus und das Einkaufszentrum einem Makler übergeben, und kein Problem, wenn er dabei über den Tisch gezogen wurde – Hauptsache raus, einfach raus, mit dem Jeep Laredo bis rüber ins San Fernando Valley, und dann auch den verkauft, eine Schule für Sierra gesucht und die Palmen angestarrt, die sich aus dem Smog erhoben wie die schlanken, geäderten Hälse von Tieren aus dem Mesozoikum. Sicher. Und des Nachts verbrecherische Taten verübt.
    Was ist mit Sierra? wollte er fragen. Was ist mit mir?
    Seit Stunden hatte er nicht reagiert, nicht einmal auf direkte Fragen, und er konnte ihnen schlecht vorwerfen, daß sie sich verhielten, als wäre er gar nicht da. Oder doch, das konnte er sehr wohl. Und er tat es auch. Sie sprachen über ihn hinweg, um ihn herum, durch ihn hindurch, als läge er auf einer Trage in der Notaufnahme. Ihre Stimmen hoben und senkten sich. Sie waren Säulen der rechtschaffenen Empörung, sie schmiedeten Intrigen, kamen sich vor wie Trotzki und Lenin beim Planen von Kerenskis Untergang oder wie Woodward und Bernstein, die in einem Hinterzimmer die Köpfe über Watergate zusammensteckten. Tierwater starrte geradeaus. Der rumpelnde Caprice zischte durch die scheinbare Welt, und lange Zeit nahm er gar nichts wahr. Dann aber...
    Dann wurden die Dinge langsamer, mit dem dumpf grollenden Donner einer Offenbarung kristallisierte sich die Wirklichkeit für ihn heraus. Vor ihnen, rechts der Straße, war eine Baustelle. Sie – die anonymen, allgegenwärtigen und ewig betriebsamen Kräfte –legten hier offenbar eine Überführung an: mit Rippenstahl bewehrte Betonpfeiler, Stahlträger, Vermessungslatten, an denen fransige Plastikbanner in Rosa und Orange flatterten, wüst aufgehäufte Erdberge. Und eine Planierraupe. Eine große, fette D7-Raupe, die reglos im grauen Schleier der Dämmerung dastand, die Sonne zog sich gerade in den Abfluß des Himmels zurück, ansonsten vertrocknete Büsche und die verkrüppelten Finger der ramponierten Bäume. Tierwater nahm dieses Bild auf, ein verschwommenes Stilleben, und im selben Moment sah er sich in seinem Zentrum, so daß er Teo auf einmal ins Lenkrad griff. »Halten wir da an«, sagte er.
    Teo, dessen Kiefer unterhalb des blonden Strubbelkopfs permanent kauten, schien erschrocken. Aber nur kurz. Tierwater sah, wie sein Blick sich aufhellte, seine Hände sich auf dem Lenkrad entspannten. »Mußt du pinkeln, Ty?« Ein Seitenblick zu Andrea, der Ansatz eines Grinsens. »Deswegen?«
    Nichts. Tierwater starrte aus dem Fenster, aber er hielt das Lenkrad weiter fest gepackt, und im nächsten Moment wurden sie langsamer, die Reifen sangen ein neues Lied auf den rumpligen Wellen der Ausfahrtsrampe. »Da drüben«, hörte sich Tierwater sagen, »da auf der Kreuzung, gleich hinter der Planierraupe.«
    »Warte mal, Ty«, sagte Andrea und legte ihm die Hände auf die Schultern, süßer Atem und besorgter Blick, »du willst doch nicht etwa...?«
    Aber Tierwater war bereits ausgestiegen, die Hitze schlug ihm ins Gesicht, Eidechsen huschten in Deckung, und er tastete nach den Streichhölzern, die er beiläufig aus dem Aschenbecher des Rest Ye May mitgenommen hatte. Sie hatten seine Tochter, er dachte an nichts anderes – sie hatten ihn , und zwar bei den Eiern –, und jetzt würden sie dafür bezahlen, jetzt und für immer. »Ty!« brüllte Andrea, sie war auch aus

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