Grün war die Hoffnung
des Großvaters –, denn mein Vater hat sich nie gegen meine frühkindliche Indoktrination ausgesprochen, jedenfalls nicht, daß ich wüßte. Er wartete nur ab, setzte mal eine nachdenkliche, mal eine spöttische Miene auf, sobald seinem Sohn die geweihten Worte – Jesus, Gottvater, der Heilige Geist – über die Lippen kamen. War es eine glückliche Ehe? Nein. Nicht mehr nach den ersten zehn Jahren, aber sie hielt, zusammengeschmiedet von einem großen Bett und dem Klickern von Eiswürfeln im Glas, bis ein Kran umkippte und ein Stahlträger herabfiel und ich mit siebenundzwanzig zur Waise wurde.
Ich erwähne das alles, weil es mir den Kontext liefert, um zu beurteilen, was Andrea soeben gesagt hat. Und wenn ich sie recht verstehe, geht es darum: Die Welt geht vor die Hunde, deshalb müssen wir Das Leben der Heiligen des Umweltschutzes schreiben und Maclovio Pulchris abzocken, um dann zu verduften und unterzutauchen, bis wir die Beute dazu verwenden können, sie wiederaufzubauen. Die Welt.
»Du wirst dich uns anschließen«, wiederholt sie.
»Ich geh nirgendwohin. Oder nein, streich das – ich geh aufs Klo. Sake am Vormittag, du weißt, was das heißt.« Ein Blick auf April Wind. »Und du weißt es wohl genauso, was, April? Kommst ja auch langsam in die Jahre, oder? Wartet nur«, sage ich ihnen, allen beiden, und ich bin jetzt so wütend, daß ich das Blut in meinen Ohren singen höre, »wartet ihr nur, bis ihr so alt seid wie ich.«
Und dann stapfe ich um die ewig überlaufenden Eimer herum, meine Schuhe patschen über den pitschnassen Teppich, und die Pyrotechnik in meinen Gedärmen ist die unmittelbare Folge davon, daß ich mit fünfundsiebzig töricht genug bin zu glauben, ich könnte mich um zehn Uhr morgens ungestraft mit Sake vollschütten. Mit billigem Sake noch dazu. Mein Bedürfnis ist dringend, aber ich bleibe trotzdem noch an der Klotür stehen, um meiner Exfrau und derzeitigen Bettgespielin einen vernichtenden Blick zuzuwerfen. »Hast du eben wirklich gesagt: ›E.F.! wird wieder abheben‹? Hab ich richtig gehört: ›wieder abheben‹? Sag mal, du mußt ja völlig verblendet sein.« Oh, oh, und jetzt bin ich knapp vor dem Platzen, die Blähungen zerreißen mich. »Falls das Projekt je abgehoben hat – und erzähl mir nicht, daß es das wirklich getan hat, nicht so, daß es irgendwen gekümmert hätte, außer vielleicht Sierra und einen Haufen unzufriedener Spinner und ewiger Sucher –, dann finde ich das traurig, von Herzen traurig, und ich wünschte, ich hätte ihm damals mit einer rostigen Schere die Flügel gestutzt. Oder mit dem Messer. Einem Teppichmesser. Und Salz in die Wunde gestreut. Und komm mir nicht mit diesem beschissenen Quatsch von wegen Mucosa, denn nichts weiter ist es: Quatsch.«
Ich knalle die Tür zu, quasi als Ausrufezeichen, und dann bin ich allein auf dem Klo. Hier brennt nur trübes Licht – eine einzige gelbliche Spar-Neonröhre, die gerade genug Helligkeit abgibt, daß ich mich wieder wie im Knast fühle –, aber ich krame geistesabwesend meine Brille hervor und greife nach der zerknitterten Zeitung, die ich für meine qualvolleren Toilettensitzungen bereithalte. Zeitungen gibt es kaum noch, das sollte ich erwähnen – die Nachrichten kriegt heutzutage jeder auf elektronischem Weg, und die Papierkosten, sogar für Zeitungspapier, sind einfach untragbar. Trotzdem stehen ein paar von uns immer noch auf das haptische Erlebnis, deshalb druckt die Los Andiegoles Times alle zwei Wochen ein dünnes Blättchen für die Nostalgiker und die Verrückten, von den Verstopften gar nicht zu reden. Tja-ja. Die Seiten glattstreichen. Was lese ich da? Den Bericht über ein Footballspiel, das in einem leeren Stadion mit leckem Dach stattfand, die Einzelheiten sind ebenso belanglos wie das Ergebnis, Seite drei von vier, und der Rest handelt vom Wetter. Was uns bevorsteht – beziehungsweise was uns bevorstand, damals vor zwei, oder nein: drei Wochen? Regen. Wind. Überschwemmungen in tiefen und mittleren Lagen. Hundert Prozent Wahrscheinlichkeit von Tornados, Wasserhosen, Riesenwellen.
In meinem Unterleib brennt ein Feuer, kein Zweifel, und ich sitze da und warte es ab, lese dabei über Pässe, Ballabgaben und behende Beinarbeit, während der Wind draußen seine Klauen in den löchrigen Verputz schlägt und mein eigener, wohlbekannter Gestank giftig um mich herum aufsteigt. Ich werde noch eine Weile hier hocken, das ist eine Tatsache in meinem Alter (und vergiß die Altalten, die
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