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Grün war die Hoffnung

Grün war die Hoffnung

Titel: Grün war die Hoffnung Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: T.C. Boyle
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scheinen, las ein Buch, sah in den Himmel und wartete darauf, daß der Tag zu Ende ging und der Mond sich über die kahle Stelle im Berg schob.
    Es war nach neun, als er aufwachte. Keine fünfzehn Meter von dort, wo er lag, hatte etwas den Bach durchquert, etwas ziemlich Großes, und es schreckte ihn aus einem traumlosen Schlaf. Ehe er sich recht erinnerte, wo er war und weshalb, mußte er als erstes an Sierra denken. Er sah auf die Uhr, horchte noch einmal auf das platschende Geräusch – es war ein Hirsch, mußte einer sein; entweder das oder ein FBI-Agent –, und er stellte sich Sierra vor, wie sie die großen Füße über die Lehne des Sessels aus Mopaneholz baumeln ließ und unter dem stumpfen Blick des ausgestopften Hartebeest in Ratchiss’ Wohnzimmer den Fänger im Roggen las. Sie war heute abend nicht dabei, und sie würde niemals – nie wieder – bei nächtlichen Unternehmungen dieser Art dabeisein. Er war fest entschlossen, daß sie ein normales Leben führen sollte – jedenfalls soweit dies möglich war, wenn man es unter falschem Namen in einem Museum voll afrikanischer Andenken in einer Hütte am Arsch der Welt zubrachte. Sie würde zur Schule gehen, etwas über die Westgoten und die Primzahlen lernen, abends abtanzen, sich eine neue Schar von üblen Freunden suchen, mit Dope und Alkohol herumexperimentieren, sich für gemütsarme Bands begeistern, über Fleischesser debattieren, revoltieren und widerrufen, sich zum zweitenmal einen Nasenring einsetzen lassen und im Cabrio hundertachtzig fahren. Und in fünf – genauer: in viereinhalb Jahren – hätte sie sogar ihre Identität wieder zurück.
    Für Teo kam es nie auch nur ansatzweise in Frage, an so etwas teilzunehmen, undenkbar, jetzt nicht mehr – er war inzwischen das Aushängeschild von Earth Forever!, der Kerl, der das große Geld aufbrachte, und er konnte es sich nicht leisten, bei verdeckten Aktionen gefaßt zu werden. Er konnte sich an Kernkraftwerke ketten lassen, Bäume besetzen, predigen und publizieren, soviel er wollte, aber seine Reifenschlitzertage waren vorbei: »Wirklich, Ty«, hatte er gesagt, während er den Korkenzieher eindrehte, die Sonne knallte ihm aufs Gesicht, die Weinflasche klemmte zwischen seinen Beinen, »du verstehst doch, wieso ich jetzt keine außerplanmäßigen Dinger riskieren kann, oder?« Der Korken rutschte mit feuchtem, befreiendem Plopp aus der Flasche. »Aber ich beneide dich, echt!«
    Und Andrea. Sie hatte ihre Geldstrafe gezahlt, genau wie Teo, und war auf Bewährung aus der Siskiyou-Geschichte herausgekommen – sie hatte ja auch niemanden attackiert. Und wer wußte denn, daß sie in dem kackbraunen Chevy gesessen hatte? Jedenfalls dachte sich das Teo so. Vielleicht würden sie sie in Ruhe lassen, vielleicht konnte Fred es irgendwie geradebiegen... »Dieses Kidnapping. Oder die Entführung, was auch immer. Das mit Sierra.«
    Tierwater hatte sie beobachtet. Sie hatte sich den Schirm der Baseballmütze ins Gesicht gezogen, um sich vor der Sonne zu schützen, und der Schirm hielt auch ihr Haar fest, während sie Käse schnitt und den Wein austeilte. Sie sagte kein Wort, aber Tierwater konnte in ihrer Miene lesen. Zweifel. Sie hatte Zweifel an ihm.
    »Hör zu«, sagte er. »Es gibt keinen Grund, weshalb ich das hier nicht allein tun könnte. Wie schwer wird es schon sein? Ich weiß, wie’s laufen muß. Und den Weg zurück kenne ich besser als ihr beiden.« Andrea blickte auf. Der Mützenschirm warf einen Schatten auf ihr Gesicht. »Stimmt doch, Schatz?«
    »Ich weiß nicht«, sagte sie. »Ich hab kein gutes Gefühl dabei.« Das sagte sie, und möglicherweise meinte sie es auch so, oder glaubte es so zu meinen, aber eigentlich suchte sie einen Ausweg aus dieser verzwickten Lage, ob ihr das nun klar war oder nicht. »Und du bist dir sicher, daß du das allein durchziehen willst, Ty?«
    Sie hatte ihn das zweimal gefragt. Einmal bei Wein und Entenwurst und dann nochmals, als sie sich für einen Abschiedskuß zu ihm hinunterbeugte, kurz bevor sie und Teo zusammenpackten und aufbrachen.
    »Ist schon okay«, hatte er geantwortet. »He, der Fox hat auch immer allein gearbeitet, oder?«
    Jetzt aber war es dunkel, und er war allein, und irgend etwas platschte durch den Bach. Eingeschlafen war er in einer blankgescheuerten Granitpfanne dicht über der Hochwassermarke, an einer Stelle, wo die Frühlingsfluten eine Höhlung aus dem Felsen gegraben hatten, und er lag darin wie in einer aus Stein gehauenen Handfläche,

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