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Grün war die Hoffnung

Grün war die Hoffnung

Titel: Grün war die Hoffnung Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: T.C. Boyle
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gegen die das Wasser beständig anbrandete und dann weiterplätscherte, das weiße Rauschen der Unendlichkeit. Eine Minute verging und noch eine. Was ihn auch geweckt hatte, es war jetzt fort. Er lauschte noch eine weitere Minute, um sicherzugehen, dann erhob er sich und warf den Rucksack über die Schulter. Kurze Zeit später schlängelte er sich durch das Gestrüpp der kahlgerodeten Stelle, die Schritte gedämpft von den dicken Socken, die er über die Stiefel gezogen hatte, der nicht ganz volle Mond wies ihm den Weg in einen Schein, so fahl und kalt wie das Licht einer Traumlandschaft.
    (Und was hatte ich da im Rucksack? Die Werkzeuge meines neuen Handwerks: Rohrzange, Steckschlüssel, Handschuhe, Drahtschere, Bügelsäge, Plastikschläuche und einen Trichter, ein paar Müsliriegel, Wasserflasche, Messer im Futteral, Streichhölzer. Ich war ausgerüstet, um Zerstörung anzurichten, keine Gnade, keine Reue. Die kleinste Maschine dort war an die fünfzigtausend Dollar wert, und ich hatte vor, jedes ihrer beweglichen Teile zu sabotieren, wo es ging – aber raffiniert, höchst raffiniert, so daß ihnen anfangs gar nichts auffiel und sie ihre stinkenden Dieselmotoren laufen ließen, bis sie abstarben und einen Kolbenfresser bekamen. Ich wünschte nur, ich könnte dabeisein, wenn es passierte, ihre verdutzten Mienen sehen und die Bäume, die ich gerettet hatte und die nun weiter wuchsen, während die großen gelben Maschinen spotzten und spuckten und kläglich zum höchst kostspieligen Stillstand kamen.)
    Tierwater sah sich zweimal genau um – niemand und nichts bewegte sich, die Stille war vollkommen –, dann streifte er die schwarzen Baumwollhandschuhe über und begann mit seiner Maschinenwartung. Als erstes neutralisierte er den Schaufellader: er schraubte die Einfüllkappe am Ansaugkrümmer ab, wie Andrea es ihm gezeigt hatte, führte den Plastikschlauch geschickt ein und goß dann Becher für Becher Sand (Granitpulver, genauer gesagt) in den Trichter. Mit leisem erfreulichem Zischen glitt er hindurch und in die Eingeweide des Motors, und mit diesem Geräusch, mit dem Zischen von Sand in einem Plastikschlauch, würde er sein Leben lang nächtliche Arbeit assoziieren – und Rache.
    Nacheinander ging er zu jedem der Fahrzeuge, und er nahm sich nicht nur der Motoren, sondern auch aller Schmiernippel an, die er fand, und als er mit den schweren Maschinen fertig war, wandte er sich den beiden LKWs zu. Er hantierte behende, murmelte sich leise Anweisungen zu und verlor dabei jedes Zeitgefühl. Als er irgendwann doch einmal auf die Uhr sah, stellte er erstaunt fest, daß es drei Uhr vorbei war. Er mußte sich beeilen, mußte weg hier und den mondbeschienenen Weg nehmen, der ihn in Sicherheit und in die Anonymität seines Bettes bringen würde, und schon jetzt sah er den nächsten Tag vor sich, einen Drink am späten Nachmittag in der Bar, die Ohren weit aufgesperrt für die besoffenen Unterhaltungen, die rings um ihn auf und ab wogten. Sabotage? Was meinen Sie mit Sabotage? Wo denn? Wann? Sie scherzen wohl! Wer würde denn so was tun?
    Die Nacht atmete ein und atmete wieder aus. Er stand da und blickte in die Leere des Himmels empor, und eine lange Zeit rührte er sich gar nicht. Was verspürte er? Befriedigung – ja, jene besondere Energie, die man fühlt, wenn man weiß, daß man sein Bestes gegeben hat, die süße Erschöpfung nach einer gut getanen Arbeit, aber auch noch mehr: Wut. Er empfand immer noch Wut. Das hier war nichts, ein Nadelstich ins Netzwerk des Fortschritts, der Untergang von ein paar Maschinen – vielleicht gar, wenn er Glück hatte, einer ganzen Firma. Aber was war mit den Bäumen? Was war mit den vielen künstlichen Bäumen in der »Penny Pines Plantation«, eine Stunde zu Fuß entfernt von hier? Die wären immer noch da, oder? Und solange sie nicht vernichtet waren, eliminiert, entfernt vom Antlitz des Berges, gab es hier keinen Wald. Keinen richtigen Wald zumindest.
    Auf einmal setzte er sich in Bewegung. Nicht den Weg entlang, nicht in Richtung der Hütte, zu Andrea und seinem Bett, sondern zu der Stelle, wo die Kiefernhybriden in sauberen Reihen standen, so weit das Auge reichte. Die Luft war kühl – so um die fünfzehn Grad oder noch weniger –, aber er schwitzte beim Gehen, und obwohl er schwitzte, wurde er noch schneller. Fünfzig Minuten später war er inmitten der Pflanzung, kniete nieder auf der trockenen, nachgiebigen, krümeligen Erde, in der Hand die Streichhölzer. Das abrupte

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