Bücher online kostenlos Kostenlos Online Lesen
Grün war die Hoffnung

Grün war die Hoffnung

Titel: Grün war die Hoffnung Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: T.C. Boyle
Vom Netzwerk:
verfügbar waren? »Ich meine es ernst«, sagte sie, und er glaubte, sie würde gleich mit dem Fuß aufstampfen, so wie sie es mit drei manchmal getan hatte. »Ich will nicht hier mit ein paar Landeiern und alten Leuten eingesperrt sein, ich will auch nicht Sarah Drinkwater heißen – ich will ich sein, Sierra, und ich will« – ihre Stimme überschlug sich –, »ich will nach Hause.«
    »Seht ihr das da?« Teo stand am Rand einer Schotterstraße tief im Wald, die Hände in die Hüften gestemmt. Er machte eine Kopfbewegung. »Das ist der Kanal hier, eine Dreißigzentimeterröhre, sauber verlegt, die den Bach bei Schneeschmelze vor Überschwemmung schützt. Ohne Kanal keine Straße, und ohne Straße können sie das gefällte Holz nicht wegbringen.«
    Hohe Wolken türmten sich am Himmel, die Sonne schien mild an diesem Tag, einem Samstag, und die Bäume standen still um sie herum. Es waren allerdings keine richtigen Bäume – nicht für Tierwater jedenfalls. Das waren keine Gelbkiefern, Bischofskiefern, Ponderosakiefern, Rauchzypressen oder Sequoias, wie man sie hier erwarten sollte, sondern künstliche Bäume – Hybriden, die für schnelles und geradliniges Wachstum sowie ein maßvolles Verzweigungsverhalten gezüchtet worden waren. In ordentlichen Reihen erstreckten sie sich zu beiden Seiten der Straße, so lotrecht wie die Maisfelder im Mittelwesten, unterbrochen nur hie und da von den nackten, verrottenden Stümpfen der Giganten, die man für sie geopfert hatte. Baumfarmen, nichts anderes war das. Baumfarmen im öffentlichen Forst, reinste Monokultur, und zum Teufel mit der Artenvielfalt. Tierwater sah nicht die langen grünen Tannennadeln, die die Sonne einfingen, roch nicht das Kiefernharz, dachte nicht über die Umwandlung in Kohlendioxid oder über den in der Ferne krächzenden Diademhäher nach – er starrte nur angewidert auf die Haufen von vergilbten Zweigen, die bereits ausgeschnitten waren, um das Abholzen leichter zu gestalten. Weiter unten auf der Straße stand ein Schild – mitten im Wald, eine Frechheit! –, auf dem zu lesen war: »Penny Pines Plantation«. Es war die reinste Schmiererei.
    Eines Abends hatte er sich, wider besseres Wissen, in einer der Kneipen im Ort mit einem Holzfäller aufs Debattieren eingelassen, einem alten Mann, der so verschrumpelt und bucklig war, daß man nicht geglaubt hätte, er könne eine Säge überhaupt hochheben, geschweige denn handhaben, doch wie sich herausstellte, arbeitete er als Trimmer, also bei der Mannschaft, die den frisch gefällten Bäumen die Äste absägte. Tierwater hatte etwas von Kahlschlag geredet, und der Alte, der zusammen mit zwei Kollegen in karierten Hemden und Arbeitsstiefeln an der Theke saß, nahm daran Anstoß. »Jetzt will ich dich mal was fragen«, sagte er, beugte sich vor und fixierte Tierwater mit einem eiskalten, verrückten Blick. »Wohnst du in nem Haus oder in ner Höhle? Aha. Und woraus ist das Haus gebaut? Genau. Und dann wirst du ja sicher auch Papier verwenden, oder? Hast bestimmt einen dieser Jobs, wo du dir nicht die Hände dreckig machst, hab ich recht? Tja, und ich bin der, von dem du das Papier für dein schönes sauberes Büro kriegst, und auch der, der die Bretter für dein Haus sägt – und wenn ich das nicht täte, würdest du irgendwo in nem Tipi hausen und dir den Arsch mit Redwoodrinde und Espenlaub abwischen, stimmt doch?«
    In Tierwater war etwas aufgewallt, das in Ungeduld, Aufsässigkeit und Gewaltbereitschaft wurzelte, aber er hatte es unterdrückt – immerhin versuchte er sich hier bedeckt zu halten. In den Wäldern ringsum gab es keine fünfzig Hütten, die alle über ein paar asphaltierte Fahrwege mit der üblichen Mischung aus Gästehaus, Andenkenladen, Restaurant und Kneipe verbunden waren – hier in Big Timber kannte jeder jeden. Deshalb kehrte er dem Mann nur den Rücken, nahm sein Bier und setzte sich an einen Tisch in der Ecke. Froh war er nicht gewesen, daß die Kettenhunde des Fortschritts das letzte Wort behalten hatten, aber jetzt, hier unter freiem Himmel, in dieser Baumplantage, sah er eine Möglichkeit, ihnen eine Lektion zu erteilen.
    »Und das«, sagte Teo grinsend und ließ sich auf die breiten Unterschenkel nieder, um seinen Rucksack zu durchwühlen und ein abgewetztes Lederbündel herauszuziehen, das aussah wie ein Volleyball ohne Luft drin, »ist ein Volleyball ohne Luft drin. Den braucht man nur in so ein Rohr zu schieben, dann aufpumpen, daß die Schwarte kracht, und zur Tarnung

Weitere Kostenlose Bücher