Grün war die Hoffnung
gewesen, fünfzehn Kilometer hin und wieder zurück zu Fuß gegangen und hatte Schwermaschinen im Wert von Hunderttausenden Dollars zerstört. Das Knie tat ihm weh und auch der Schultergürtel, wo er sich irgend etwas gezerrt haben mußte – wahrscheinlich beim Kampf gegen die eine oder andere Rohrmuffe. Er war kein Mechaniker.
»Willst du eine Weile ausruhen?« fragte Andrea und setzte sich in Bewegung, das Bett schlingerte wie ein Gummifloß im tiefen Wasser, ein genießerischer Blick auf ihren nackten Leib, dann hatte sie T-Shirt, Unterhose und Shorts übergestreift.
»Ja, das wäre gut«, sagte er. »Aber du hast meine Frage von gestern noch nicht beantwortet.«
»Welche Frage?«
»Über dich und Teo. Diese vielen Nächte unterwegs, Connecticut, New Jersey, wo auch immer. Du hast mit ihm geschlafen, stimmt’s?«
»Was spielt das für eine Rolle? Damals kannte ich dich noch nicht.«
»Du hast es getan, oder?«
Irgendwo hoch oben erklang das ferne Dröhnen eines Flugzeugs. Der Wind mußte gedreht haben, zumindest kurzfristig, denn jetzt konnte er den Rauch riechen, als wäre die Luft davon durchdrungen. »Ich werde dich nicht anlügen, Ty – wir sind beide erwachsen, nicht wahr? Also, willst du es wissen? Ob ich mit ihm geschlafen habe?«
Er schloß die Augen. Nie im Leben war er so müde gewesen. »Nein«, sagte er. »Vergiß es.«
Santa Ynez, Dezember 2025
Mac hat seit jeher viel Trara um Weihnachten gemacht – Glitzerzeug, da steht er drauf. Plätzchen im Ofen, blinkende bunte Lämpchen, Klingelingeling, lauter so Sachen –, und das ist dieses Jahr nicht anders. Was macht es schon, wenn die Rahmenbedingungen etwas extrem sind? Was tut es, daß wir praktisch auf einer Insel leben und weder Supermarkt noch Krankenhaus, weder Sushi-Bar noch Futtermittelhandlung erreichen können? Was tut es, daß wir im Keller lauter scheißende, fauchende, fuchsteufelswilde und desorientierte Tiere haben? Hauptsache schmücken, so denkt er eben. Vor zwei Jahren karrte er fünfzig Mann an, die rings um das Haus an den Wänden Lichterketten in parallelen Bahnen anbrachten, so daß es aussah wie ein Geschenkpaket auf dem Gipfel des Hügels (oder, von innen, wie ein riesiger Elektrotoaster), an die zwanzigtausend Glühbirnen verbrauchten elektrischen Strom, den niemand hat und den sich niemand leisten kann, und Mac war nicht mal zu Hause. Letztes Jahr am 1. Dezember fuhr wieder eine fast ebenso große Crew vor, aber der Wind blies so heftig, daß die Arbeiter dauernd von den Leitern geweht wurden, und die Lichter, die sie doch anbringen konnten, knallten immer wieder gegen die Hauswand, bis nicht viel mehr übrig war als ein langes Kabel mit lauter leeren Fassungen, das vom Sturmwind gebeutelt wurde. Auch damals war Mac nicht hier. Diesmal aber ist er da, und das bedeutet volles Programm: wenn wir wegen dieses erbarmungslosen meteorologischen Kataklysmus, der Tag und Nacht auf alles niederpeitscht, was nicht drei Meter tief in der Erde vergraben ist, nicht draußen für Weihnachten dekorieren können, dann tun wir’s eben drinnen.
Absoluter Schwachsinn in meinen Augen. Was gibt es denn zu feiern? frage ich mich. Daß wir letzte Woche achtundvierzig Stunden Erholung vom Regen hatten? Daß April Wind ein Buch über Sierra die Märtyrerin schreiben will und ich dabei ihr Hauptinformant bin, der noch dazu nicht abhauen kann? Daß Lily sich an ihre neue Umgebung so gut gewöhnt hat, als wäre sie zwischen Holzpaneelen geboren? Und daß die steinharten Kadaver von Rindern, Schweinen und Truthähnen uns, wie’s aussieht, noch das gesamte Jahrtausend hindurch ernähren können? Beschissene Aussichten, würde ich sagen. Das Ende ist nah. Wie die Menschen närrisch sind!
Wir alle tragen immer noch Masken, obwohl wir ebensogut auf einem Korallenriff leben könnten, soviel Kontakt haben wir mit der Außenwelt, und wenn ich nicht gerade mit April Wind die Vergangenheit exhumiere oder zusehe, wie Andrea sich an Mac ranschmeißt, versuche ich für die Tiere zu sorgen. Chuy und ich kriegen es halbwegs auf die Reihe, alle zu füttern, finde ich, aber die Ernährung ist nicht das eigentliche Problem. Fortpflanzung in Gefangenschaft – das war immer unser vordringlichstes Ziel, von Anfang an – ist praktisch unmöglich unter diesen Bedingungen. Wir haben ja keinerlei Zugang zu den Tieren – es ist einfach zu riskant, eine befestigte Holztür behutsam zu öffnen, wenn die Kreaturen dahinter nicht garantiert taub, blind oder sediert
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