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Grün war die Hoffnung

Grün war die Hoffnung

Titel: Grün war die Hoffnung Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: T.C. Boyle
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grabkammerartigen Weite des Raumes. »Frohe Weihnachten.«

Sierra Nevada, Mai–August 1990

    Tierwater spürte sein Alter. Anfang des Monats war er vierzig geworden, was man mit einer diskreten Party auf der Veranda hinter Ratchiss’ Hütte gefeiert hatte. In kleiner Runde, das war nötig, um FBI-Agenten mit Sicherheit ausschließen zu können: Frau und Tochter, Teo, Ratchiss und Mag (oder Mug). Alle, sogar Andrea, schienen guter Laune. Man trank einen kalifornischen Viognier, ohne sich um die Eichen und andere heimische Pflanzen zu sorgen, die von den Weingärten verdrängt worden waren, und als der Abend kühl wurde, amüsierten sich alle in der Badewanne aus Redwoodholz, ohne kritisches Gemurmel über die alten Baumgiganten, die für ihr kurzfristiges Vergnügen hatten gefällt werden müssen. Nachdem die Kerzen auf der Geburtstagstorte entzündet, zum Wünschen wieder ausgepustet worden waren, die Torte in Stücke geschnitten und verteilt worden war, ging Sierra – Sarah Drinkwater, Zentrum der Aufmerksamkeit in der Junior High School von Springville – in die Hütte, um einen Aufsatz über das antike Mesopotamien zu schreiben, während die Erwachsenen in der heißen Wanne blieben. Scheiß auf die globale Erwärmung, wenigstens für diese Nacht. Mag (oder Mug) gab mit hoher, lebhafter Stimme die Geschichte zum besten, wie er sein Gesicht an die Hyäne verloren hatte, wobei Ratchiss unterstützende Details einflocht (Sie sich anschleichen an mich, und hab ich einen mächtig Rausch, scharfes Aroma von Palmwein auf meinen Lippen, und ich träume vom großen Regen und den Hirsefeldern, da kommt sie und schnappt zu mit ihrem Riesenmaul) , Teo und Andrea schmiedeten Pläne zur verdeckten Teilnahme an einer koordinierten Serie von Protestaktionen an der Küste Nordkaliforniens, und Tierwater wurde so besoffen, daß er sich in den Wald verdrücken und eine Weile mit der Natur kommunizieren mußte – andernfalls hätte er sich in das sprudelnde Wasser der Badewanne übergeben.
    Heute allerdings war er nur leicht betrunken – gerade genug, um den Schmerz zu bekämpfen. Als er zwei Nächte zuvor dem Lampenstrahl eines Nachtwächters in Del Norte Country davongelaufen war, hatte er sich das schlimme Knie verrenkt und bei einem unachtsamen Tritt in ein Erdloch fast den Knöchel gebrochen, und nun saß er vor dem Kamin, das Bein hochgelegt, und anästhesierte sich höchst umsichtig. Im Haus war es still. Die Stille regierte seit dem Feuer letzten Sommer, das bei allen Earth-Forever!-Sektionen der Westküste eine Erschütterung – ja eine wahre Schockwelle – ausgelöst hatte. Einhundertvierzig Quadratkilometer waren abgebrannt, und E.F.!-Sprecher überall redeten sich den Mund fusselig, um jede Beteiligung daran abzustreiten – mochten ihre Anhänger auch durch die Straßen ziehen und Parolen wie »Zurück ins Pleistozän!« intonieren, sie verwahrten sich strikt gegen jede illegale Aktion; allenfalls gäbe es gewisse Figuren am entfremdeten Rand der Bewegung, die – aus Frustration und einer unbändigen Liebe zur Erde – hie und da einen Bestand von alten Redwoods gegen die Kettensägen mit Stahlnägeln spickten oder auf den Forststraßen einen Abzugsgraben verstopften, aber natürlich sei es Ziel der Organisation, die Wälder zu schützen, nicht, sie zu verbrennen. Und wo positionierte das Tierwater? Genau dort, wo er sein wollte: am sich aufdröselnden Saum des entfremdeten Randes.
    Teo hockte wieder sicher in Tarzana und war besonders laut im Bedauern von allem und jedem, während der Sheriff von Tulare County seine Ermittlungen ausdehnte und die Firma Coast Lumber zwei schlurfende Rentner aus der Gegend anheuerte, um die schimmernden neuen Planierraupen, Asthäcksler, Schaufellader und LKWs zu bewachen, die das Geld der Versicherung bezahlt hatte. (In ihrem Großmut hatte die Versicherung außerdem einen Privatdetektiv namens Declan Quinn engagiert, ein schulterloses Fossil, das pausenlos vor seiner Schachtel Camel an der Theke der Big Timber Bar and Mountain Top Lodge hockte, reihenweise Dewar’s mit Wasser trank und mit verkrebstem Krächzen die Leute fragte, ob sie »irgendwas Verdächtiges« bemerkt hätten.) Ratchiss hatte sich nach Malibu abgesetzt, sobald die ersten Rauchschwaden heranwehten, und Andrea blieb zwar da und kam ihren Pflichten als Hausfrau und Mutter nach, verwendete aber jede wache Minute darauf, Tierwater wegen mangelnden Urteilsvermögens, kindischen Verhaltens und verbrecherischer

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