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Grün war die Hoffnung

Grün war die Hoffnung

Titel: Grün war die Hoffnung Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: T.C. Boyle
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erzählen Sie doch mal, wenn’s kein Geheimnis ist – worum geht es dabei?«
    Pause. Tierwater sprach erneut seinem Drink zu. Hunderte von Handlungen, Themen, Szenarien ballten sich in seinem Kopf. Er hörte jede einzelne Flamme im Kamin, wie sie an jedem Molekül der gespaltenen und gutgetrockneten Holzscheite leckte, Materie in Energie verwandelte, die Welt vernichtete. »Um Eskimos«, sagte er schließlich.
    »Eskimos?«
    Tierwater sah in das blutleere Gesicht. Er nickte.
    Quinn saß eine Minute lang stocksteif da. Die ganze Zeit war er in Bewegung gewesen, hatte herumgeschnüffelt und gestöbert und kontrolliert, war in seinem Sessel hin- und hergewippt, als wäre er an einen Transformator angeschlossen, und nun auf einmal saß er völlig still da. »Na, also, das ist ja ein Ding«, sagte er endlich und stieß einen leisen Pfiff aus. »Oder etwa nicht?«
    »Wie meinen Sie das?«
    »Ich meine, daß heute Ihr Glückstag ist, Tom. – Sie haben einen Mann vor sich, der zwei Jahre lang in Tingmiarmiut unter den Inuit gelebt hat – das war damals, als ich für British Petroleum tätig war. Sind Sie auch so lange da oben gewesen?« Unvermittelt klatschte er sich aufs Knie und stieß einen gepreßten Schrei aus. »Meine Güte, ich wette, wir zwei beiden haben da sogar gemeinsame Bekannte...«
    Die Rettung naht in vielerlei Form. Diesmal kam sie in der von Sierra. Die Tür ihres Zimmers flog krachend auf, und das gesamte Haus war plötzlich in das Weltschmerzgewummer von Drum and Bass und das Heulen einer einzelnen selbstmörderischen Gitarre getaucht, die wie in einer Echokammer widerhallte. Gekleidet war sie in schwarze Jeans mit abgeschabten Knien, hochhackigen Stiefeln und einer so kleinen schwarzglänzenden Bluse, daß sie aus einer Babygarderobe hätte stammen können. Bis auf den schwarzen Lippenstift hätte sie als junge viktorianische Witwe durchgehen können, die um ihren Mann, den verstorbenen Großindustriellen, trauerte. »Dad«, sagte sie, »hast du meine Kaugummis gesehen – weißt doch, die Tüte mit Plenti-Paks, die wir neulich unten im Laden gekauft haben?«
    Der Raum vibrierte. Er erzitterte. Sierra war schon halb beim Kamin, als sie Quinn bemerkte, der in Tarnkleidung und mit bemaltem Gesicht auf dem Sessel kauerte. »Oh, huch«, sagte sie und hielt abrupt inne, »ich wußte nicht, daß wir Besuch haben.« Sie schenkte dem Versicherungsdetektiv einen Blick und ein zaghaftes Lächeln. »Ihr zwei geht wohl noch auf ein Kostümfest oder so?«
    Andrea verteilte den ganzen Sommer hindurch – in einer Perücke, die sie aussehen ließ wie das Kind der Liebe von Barbara Bush – rote Baskenmützen, verkaufte T-Shirts mit dem E.F.!-Logo drauf, der geballten schwarzen Faust, und führte Buchhaltungsabsolventinnen, angehenden Dichtern und Medizinstudenten vor, wie man seinen Kopf mit einem Fahrradschloß am besten an Bulldozern, Holz-LKWs und dem Eingangstor des Hauptquartiers der Axxam Corporation in Severed Root, Kentucky, befestigte. Teo rief ein Aktioncamp für Jungdemonstranten ins Leben und dirigierte Protestmärsche zu einem halben Dutzend Sägemühlen an der nördlichen Küste, und Ratchiss blieb zu Hause in Malibu, sah sich Natursendungen im Bildungskanal an und genoß täglich zur Cocktailstunde das Glitzern der Sonne auf dem Meer. Tierwater war mürrisch. Er stöberte alles über Eskimos auf, was er finden konnte, für den Fall, daß er Declan Quinn zufällig in der Lodge bei einem Teller Glibberei mit Fritten begegnete, spielte endlose Karten- und Monopolyrunden mit seiner Tochter und zog mindestens zweimal pro Woche des Nachts als Rächer aus, um den unermüdlichen Ansturm des Fortschritts zurückzuschlagen.
    Mitte Juli, auf den Tag fast ein Jahr nach dem Fiasko im Siskiyou, ruhte sich Tierwater eines Nachmittags auf der hinteren Veranda aus, betrachtete aus dem Nest seiner Hängematte die Wolkenformationen und fühlte sich so recht thoreauisch. Sierra und er waren früh aufgestanden, ein Stück weit gefahren und dann zu Fuß in das Brandgebiet hineingewandert, und er hatte zufrieden registriert, wie viele der hohen Kiefern und Redwoods dem Feuer widerstanden hatten. Sie hatten Wunden, gewiß, waren vom Boden aufwärts wie von mächtigen schwarzen Klauen gezeichnet, aber die Schneefälle des Winters hatten die Asche in den Boden geschwemmt, und überall ragten Schößlinge auf. Noch besser: die »Penny Pines Plantation« war verschwunden, und nirgends kündeten geschnitzte Holzschilder von der

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