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Grün war die Hoffnung

Grün war die Hoffnung

Titel: Grün war die Hoffnung Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: T.C. Boyle
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böse, daß er die Überraschung verdirbt.«
    Dann tagte es schon wieder, das Kanu lag auf dem Kiesstreifen, die Hunde rissen an ihren Ketten, und er und Pamela spazierten Hand in Hand auf dem Pfad zum Blockhaus. Er hätte ihr gern etwas Großartigeres gezeigt – weitläufige Nebengebäude, wie die Räucherkammer, den wettergeschützten Hundeauslauf und die Sauna, die er alle errichten wollte, sobald er die Zeit und das Geld dafür hätte, ganz zu schweigen von einem geräumigeren Haus –, doch er war durchaus stolz auf das, was er schon geschaffen hatte, als er jetzt die bärensicheren Fensterläden abnahm und die Tür für sie entriegelte. Die Tür ging natürlich nach Süden, genau wie die beiden Doppelglasfenster rechts und links davon, aber bevor sie im Inneren waren, mußten sie durch den gut zwei Quadratmeter großen Trampelkorridor gehen – den Schmutzfang, wie ihn jemand aus der Stadt vielleicht genannt hätte. »Das hier«, sagte er und atmete im Zwielicht tief ein, was ihm die vertrauten Gerüche nach Öl, Benzin, alten Ködern, blutigen Fallen, Schimmel und allem anderen in die Nase brachte, was da im Dreck erwacht war, »ist der Schmutzfang.«
    Sie stand dicht neben ihm, an die zwanzig, fünfundzwanzig Zentimeter kleiner als er, ihr helles Haar und die weißen Arme schimmerten im Halbdunkel, und sie sagte kein Wort, sah sich nur mit großen Augen um wie ein Schulmädchen auf einem Ausflug. Er geleitete sie durch die innere Tür in das Blockhaus selbst, griff um sie herum und hielt ein Streichholz an die Laterne, die gleich hinter der Tür an einem Haken hing. »Und das«, sagte er mit fast erstickter Stimme wegen der unsäglichen Spannung dieses Augenblicks, »das hier nenne ich mein Zuhause.«
    Sie stand in der Mitte des Raums und sagte kein Wort. Ihr Haar funkelte, sie hielt sich kerzengerade. Er wollte etwas sagen, wollte sie fragen, ob es ihr gefiel, aber er fand einfach seine Stimme nicht. Nach kurzer Zeit wanderte sie an den Bücherregalen entlang und ließ den Finger spielerisch über die Sachen dort gleiten: seine wenigen speckigen Bücher ( Das A–Z des Gerbens, Überleben in den Wäldern, Die arktische Wildnis, Bier selber brauen ), eine Flasche Medizin gegen Sodbrennen neben einem Strang getrockneter Peperoni, eine rostige Kanne Mehrzwecköl, eine fünfzehn Zentimeter dicke Kerze, selbstgemacht aus Bienenwachsplatten, die er sich im vergangenen Sommer von einem Versandhandel hatte kommen lassen, dazu Werkzeug. Sie sagte immer noch nichts.
    Wie lange sie dort stand, diesen und jenen Gegenstand anhob und behutsam wieder zurücklegte, wußte er nicht – sicher nicht länger als ein, zwei Minuten, aber es waren die längsten ein, zwei Minuten seines Lebens. War sie schockiert, war das der Grund? Trotz allem, was sie so redete, war sie ja doch eine Frau aus der Stadt, und vielleicht hatte sie eine völlig andere Vorstellung davon, wie ein Blockhaus in der Wildnis wirklich aussah, irgendeine innerlich ablaufende Fernsehphantasie von einer Art Ponderosa Ranch mit laubgrünen Fensterläden, einladender Veranda, gefliester Küche und handbetriebener Wasserpumpe. Sein Herz raste. Er hatte Schluckbeschwerden. Draußen jaulten die Hunde. Und nie zuvor hatte sein Haus so eng, so erbärmlich und klein gewirkt, so sehr wie eine Zelle, wie ein Pennerpalast, wie die jämmerlichste, verrückteste Vorstellung einer baufälligen Hütte auf der ganzen Welt. Der Boden war völlig verdreckt. Es war kalt wie in einem Grab. Er wäre am liebsten auf die Knie gefallen und hätte geschluchzt. Was hatte er sich denn vorgestellt? Was um Himmels willen hatte er sich vorgestellt?
    »Ich muß den Boden endlich mal streichen«, sagte er. »Das ist das nächste Projekt. Das steht jetzt wirklich an.«
    Da drehte sie sich zu ihm um, und jetzt standen ihr die Tränen in den Augen. »Ach, Sess«, sagte sie, »das ist ja alles ... so wunderschön .«
    Gemeinsam fütterten sie die Hunde – große Näpfe mit Maispampe, getrockneten Fischresten und ein paar grünlichen Stücken von einem im vergangenen Herbst geschossenen Elch –, dann brachte er den Ofen in Gang und braute ihr einen Kaffee mit Kondensmilch und so viel Zucker, daß der Löffel darin stand. Tisch und Bett, die gegen die Wand geklappt waren, wenn man sie nicht brauchte, wurden heruntergelassen und ruhten jetzt auf Fichtenholzstützen. »Reine Platzfrage«, erklärte er ihr, »bloß nichts im Weg haben und darüber stolpern.« Sie setzte sich auf das Bett, auf die

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