Grün war die Hoffnung
sie an einem Ecktisch verspeisten, erzählte sie ihm, was er schon gewußt oder geahnt oder anderswo gehört hatte. Sie war in Anchorage geboren und aufgewachsen, aber in ihrer Kindheit hatte der Vater die Familie – sie und ihre Schwester und die Mutter – jeden Sommer in die Endicott Mountains der Brooks-Kette zum Zelten mitgenommen, wo er in namenlosen Flüssen in namenlosen Canyons nach Gold suchte und ungefähr jeden dritten Tag mit etwas für den Kochtopf zurückkehrte. Sie hatten eine Vereinbarung mit einem Buschpiloten, der sie gleich nach Schulschluß dort absetzte, und gegen Ende September kehrte das Flugzeug zurück, um sie alle wieder abzuholen – was tat es schon, daß sie zwei Monate lang die Schule versäumten? Sie und ihre Schwester Priscilla konnten angeln und herumstreifen und Vögel aufscheuchen, abends den Wölfen lauschen und praktisch jeder erdenklichen Kreatur von Angesicht zu Angesicht begegnen, die nördlich des Polarkreises lebte. Und jetzt, da sie mit dem College fertig war, siebenundzwanzig Jahre alt und völlig entnervt von ihrem Acht-Stunden-Job in einer Stadt aus Stahl und Beton, wollte sie wieder zurück in die Natur, und nicht nur für einen Urlaub, nicht als Touristin oder Teilzeittrapper, sondern für immer. Das war’s. Darum ging es ihr.
Er fing gerade an, die Auswirkungen des langen Tages zu spüren – die beiden Autofahrten, den Alkohol, die Erregung, die ihm ganz hinten in der Kehle brannte wie ein Schluck Canadian Whiskey in einer Nacht unter Null –, als er sich von ihren Augen losriß und Joe Bosky anmarschieren sah. »Scheiße«, sagte er. »Wir müssen jetzt los.«
»Jetzt schon? Willst du mich nicht zum Tanzen auffordern? Wenigstens einmal – einen einzigen Tanz?«
Die Musicbox spielte »Mystic Eyes«, einen seiner Lieblingssongs, aber nicht unbedingt etwas zum Tanzen. »Nächstes Mal«, sagte er.
Sie stieß ein Lachen aus. »Typisch, du bist ja wie alle Männer, hast Angst vor deinen Füßen. Wir wär’s, wenn wir einfach auf eine langsame Nummer warten?«
Jetzt versuchte er eine Ausrede: »Aber ich möchte eigentlich nicht, daß du deine erste Nacht in meiner Baracke hier im Ort verbringen mußt – und du willst das doch auch nicht, oder? Vergiß nicht, wir haben noch eine dreistündige Paddeltour vor uns, gegen den Strom, bis wir bei meinem Blockhaus sind ...«
Sie sagte ihm, daß sie ihn süß fand. Und daß es ihr gefiel, wie seine Stirn jedesmal, wenn er sich aufregte, von zwei parallelen Falten gefurcht wurde. Dann grinste sie und streckte die Beine, so daß er und jeder andere in der Kneipe sie in ihrer gesamten schimmernden Länge bewundern konnte, ehe sie ihm zustimmte. »Hast ja recht«, sagte sie. »Ich möchte dein Haus sehen, ich meine, darum geht’s doch schließlich. Oder zur Hälfte, oder zu einem Drittel jedenfalls. Es macht mir nur einfach so großen Spaß hier.«
In diesem Moment drängte sich Joe Bosky hinein.
Er baute sich über ihrem Tisch auf wie ein Kellner, er stank nach irgendwas – Fisch, Kotze, Schweiß –, und in der Tiefe seines Barts bleckte er grinsend die Zähne wie irgendein Vieh in der Falle. Er trug ein Hemd in Tarnfarbe, auf dessen Brusttasche die Abkürzung U.S.M.C. aufgedruckt war, und ein khakifarbenes Käppi mit flachgedrückter Krempe. Seine Jeans sahen aus, als hätte er sie von einem Leichnam gefleddert. Und so rochen sie auch. »Hey«, sagte er und beugte sich über den Tisch, ohne Sess weiter zu beachten, »wie ich höre, bist du die Lady, die nach einem Mann Ausschau hält, stimmt das?«
Pamela hatte ihn noch nie gesehen, und sie war die Sorte Mensch, die für jeden ein Lächeln übrig hat, also grinste sie zurück und sagte: »Das ist richtig. Aber ich wußte gar nicht, daß ich so berühmt bin.«
Sess kam auf die Beine. »Wir müssen los«, wiederholte er.
»Ich wollte mich erkundigen, ob ich vielleicht noch mit auf die Liste kommen könnte«, sagte Joe Bosky und ignorierte ihn weiterhin. »Weißt du, ich bin ziemlich gut organisiert hier draußen – bau mir gerade ein Haus oben am Woodchopper Creek, das ist beinahe fertig –, und ich wollte mal fragen, ob ich, na ja, ob ich mal gratis ’ne Proberunde drehen könnte?«
Pamelas Lächeln verschwand.
»Ich meine, ich hab einen Schlafsack auf dem Rücksitz im Auto, falls du dich eine Viertelstunde lang freimachen kannst ...«
Sess zielte mit der Faust genau auf sein Ohr, aber Bosky hatte ihn aus dem Augenwinkel beobachtet und daher die Zeit, den
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