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Grün war die Hoffnung

Grün war die Hoffnung

Titel: Grün war die Hoffnung Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: T.C. Boyle
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immer. »Dieser verdammte Dreckskerl!«
    »Also, was ...?« begann ihre Mutter, deren Lächeln jetzt etwas unsicher war. »Du hast ja ziemlich überschäumende Freunde, Sess – ich dachte schon, der wollte euch zwei zerquetschen ...«
    Joe Bosky merkte nichts, zumindest gab er sich den Anschein. Sie mußte einfach zusehen – konnte den Blick nicht abwenden –, während er herumwirbelte und Pris im Kreis drehte und tänzelte wie eine dieser Schmalzlocken aus einem Rock-’n’-Roll-Film, stilbewußt und gelenkig, mit Glupschaugen und wackelnden Hüften. Und dann Pris. Sie war total aufgedreht – das war mal der Typ Mann, auf den sie gewartet hatte, dessen Gelüstequotient so weit über dem Durchschnitt lag, daß man ihn nicht mal ansatzweise unter Kontrolle bekommen konnte. Bei jedem seiner Schritte mußte sie zwei machen, das Kleid war ihr längst unter die Achseln hinaufgerutscht, und ihr aufgetürmtes Haar hatte eine sanfte Rutschpartie nach unten angetreten. Alles nur Spaß. Gutgemeinter Spaß. Nur war dieser Mann Sess’ Feind und eigens gekommen, um ihm den Tag zu vermiesen, daran konnte kein Zweifel bestehen.
    Der große Mann mit dem massigen Kopf – Iron Steve, wie sie annahm – packte Bosky unter den Armen, als er sich gerade unter Pris’ kreideweißen Fingern nach hinten bog, und dann fielen Richard und Ogden Stump über ihn her wie Tackler beim Footballspiel. Sie sah, wie die Überraschung sein Gesicht verzog, einen Herzschlag lang herrschte Ruhe, Pris hielt die leere Hand ausgestreckt, sie begriff allmählich, und dann schien er zu explodieren. Er schleuderte sich in alle vier Himmelsrichtungen zugleich, dabei stieß er ein langgezogenes spitzes Kreischen aus, in dem nichts als Künstlichkeit und Haß schwang, und dann rollten sie alle vier im Schlamm herum, die guten Kleider wurden ruiniert, die Menge wich zurück, und die Band brach mitten im Refrain von Hank Williams’ »Cold, Cold Heart« ab.
    Nach zwei Minuten war es vorbei, Joe Bosky hatte beide Arme auf dem Rücken, und Iron Steve preßte ihm einen Unterarm auf die Kehle, es folgte der achtbeinige Marsch an den Rand des Grundstücks, die unumgänglichen Drohungen und Beschimpfungen flogen hin und her, die Band nahm ihren Refrain wieder auf, nur Sess’ Augen waren kalt wie die eines Killers. »Du liebe Güte, Sess«, sagte ihre Mutter, »deine Freunde sind ja ganz schöne Hitzköpfe. Haben wohl zu tief ins Glas geschaut«, hier lachte sie, »oder vielleicht ist er auch nicht recht mit Pris fertig geworden. Aber so sind meine Töchter eben, mußt du wissen.«
    Und da kam auch schon Pris, etwas verwirrt, Flecken im Gesicht, die Frisur total aufgelöst, der Saum ihres Kleides starr vor Schlamm. »Was war denn das jetzt?« wollte sie wissen und wühlte in der Handtasche nach einer Zigarette. »Gerade fing’s an, Spaß zu machen. Wer war dieser Typ überhaupt – ein entsprungener Irrer oder was? Eigentlich fand ich ihn aber ganz nett. Rein geistig, meine ich.«
    Sess sagte kein Wort. Ihre Schwester sah ihn an, dann die Mutter, doch er stand nur wie angewurzelt da, reglos wie ein Zaunpfahl. »Ist doch schon gut«, redete Pamela auf ihn ein, »laß dir davon nicht den Tag verderben. Es ist alles in Ordnung, es ist ...«
    Aber es war nicht in Ordnung. Sie tanzten, tranken Champagner miteinander, nahmen Glückwünsche entgegen und bedankten sich, und die Leute kamen einer nach dem anderen zu ihnen, voller Fröhlichkeit und gutem Willen, doch es war nicht mehr das gleiche wie vor Joe Boskys Auftritt. Es war ihr Hochzeitstag, ihre Hochzeits nacht , aber ihr Ehemann war so distanziert und undurchdringlich wie ein Außerirdischer aus dem Raumschiff in einem dieser entsetzlich schlechten Filme, die sie als Kind gesehen hatte. Wach auf, Sess , hätte sie am liebsten gesagt. Wach auf und mach Schluß mit diesem Blödsinn, deine Braut steht vor dir – kennst du mich noch?
    Etwa gegen zehn verlor die Party langsam an Schwung, die Leute gingen paarweise davon, um entweder im Nougat oder im Three Pup weiterzufeiern oder besinnungslos in den Kies am Flußufer niederzukrachen. Tim Yule kauerte im Sonnenlicht auf einem umgedrehten Eimer und rührte mit einem knochigen Zeigefinger in einem Plastikbecher mit purem Äthylalkohol, leise mit sich selbst im Gespräch. Howard Walpole und Richie Oliver waren schon lange davongedackelt, die Schultern in wechselseitigem Beileid eingezogen. Pamelas Mutter lag auf dem Rücksitz von Pris’ Kombi – »ich brauch nur mal

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